Bild: Pressestelle Bistum Passau

Der ganz andere König: Ein Heimholer bis zuletzt

Der ganz andere König: Ein Heimholer bis zuletzt. Die Predigt von Bischof Stefan Oster zum Christkönigssonntag im Passauer Dom – zugleich Abschluss des Jahres der Barmherzigkeit 2016.

Liebe Schwestern, liebe Brüder,
Christus ist unser König! Und wir haben im Evangelium eine Situation gehört, wie sie elender, schmerzhafter, erniedrigender nicht sein kann. Da hängt ein Mensch am Kreuz in der schlimmsten Art und Weise gefoltert, die die Antike kannte. Über ihm hängt ein Schild, auf dem der Grund seiner Verurteilung steht: König der Juden. Und unter dem Kreuz verlachen, verspotten, verhöhnen sie den Gemarterten. Wenn du der König bist, dann hilf dir doch selbst.

Der ganz andere König

Manchmal stelle ich mir vor, ich wäre damals dabei gewesen als Zuschauer oder als einer, der sich für das Geschehen interessiert hätte, ein Neugieriger vielleicht, der sich all dem nähert. Der die aufgebrachte Volksmenge sieht, wie sie johlen. Der die spottenden Soldaten, der Hohepriester, die Mitglieder des Hohen Rates sieht, die Mächtigen, die Jesus endlich fertig gemacht hatten.

Die ihm eine Krone aus Dornen in die Kopfhaut geschlagen hatten, um zu demonstrieren, wie lächerlich, wie erbärmlich sie dieses Königtum finden. Wie wenig Geltung es in ihrer Welt haben würde. Einfach jämmerlich.

Der andere König: Wie hätte ich reagiert?

Wie hätten wir reagiert? Wie ich? Hätte ich mitgehöhnt, mitgejohlt? Hätte ich mir gedacht: Sie werden schon einen Grund gehabt haben. Ohne Grund tut man sowas Grausames ja nicht!? Wer damals hätte Jesus wirklich erkannt, wer hätte die königliche Majestät seiner Seele gesehen?

Derjenige vielleicht, der ihm wirklich in die Augen geschaut hätte, der sich von seinem Blick hätte treffen lassen? Von der Tiefe und Reinheit dieses Blickes. Aber selbst ein solcher Blick hätte womöglich in meinem Herzen nicht über die Angst gesiegt, die hoch gekommen wäre, wenn ich mich in diesem Moment tatsächlich auf seine Seite gestellt hätte, vor all den Johlenden. Seine Jünger sind ja auch davon gelaufen – und waren in diesem Moment längst weg.

Der gemarterte König – Heimholer bis zum Ende

Aber es gibt einen, von dem das heutige Evangelium ganz erstaunlich erzählt, einen, der sich buchstäblich im letzten Moment seines Lebens zu ihm hin gewendet hat. Einen, der nichts mehr zu verlieren hatte. Es ist einer, dem sie nichts mehr tun konnten, was sie nicht eh schon getan hatten. Es ist der, der neben ihm am Kreuz hängt, ebenso gemartert wie Jesus.

Dieser Verbrecher verteidigt Jesus zunächst vor dem Spott des anderen Verbrechers und legt dann selbst sogar eine Art Schuldbekenntnis ab, wenn er sagt, uns geschieht Recht für unsere Taten – aber dieser hier, Jesus, der hat nichts Unrechtes getan. Der Verbrecher sieht die Unschuld des Königs am Kreuz.

Und er bittet den sterbenden Jesus an ihn zu denken, wenn er in sein Reich kommt. Das heißt: Der Schächer erkennt hier Jesus als König an, er glaubt an ihn, an ein Königreich, in dem er herrscht. Und, meine Lieben, es ist so bewegend: der sterbende Jesus ist auch im letzten, im qualvollsten Lebensmoment immer noch der Einsammler, der Heimholer, der Versöhner: „Heute noch wirst Du mit mir im Paradies sein!“

Jesus antwortet auf Glauben

Liebe Schwestern und Brüder, Jesus antwortet auf Glauben, egal wann, egal wie, egal wo. Er antwortet, wenn Menschen ihm wirklich Vertrauen entgegenbringen. Auch dann, wenn sie schon nichts mehr zu verlieren haben. Und ich glaube auch, er antwortet bereits, wenn die Menschen es nur wollen, wenn sie vertrauen wollen und vielleicht nur halbherzig können.

Jesus ist der Erbarmer, der Barmherzige. Und es gibt zahllose Menschen auf der ganzen Welt, die in unseren Kirchen, in der Stille, in der Feier des Gottesdienstes, im Beten, im Singen, in der Beichte, in der Eucharistie von diesem Vertrauen erfüllt und gestärkt worden sind: Jesus hat wirklich Erbarmen mit mir, hier und heute. Jesus sehnt sich danach, dass ein Mensch in ihm, im Gekreuzigten seinen göttlichen Adel erkennt, seinen königlichen Reichtum, die majestätische Größe und Schönheit seiner Seele, aus der wirklich göttliches Erbarmen fließt.

Der andere König lässt sich das Herz brechen

Nur kurz nachdem Jesus das zu dem Schächer gesagt hatte, stirbt er und ein Soldat wird ihm eine Lanze in die Seite stoßen. Und es werden Blut und Wasser heraus fließen, wie der Evangelist Johannes berichtet. Wir dürfen diese Szene auf mehreren Ebenen lesen: Jesus gibt sein Leben, ganz. Er lässt sich buchstäblich das Herz öffnen, er lässt sich das Herz brechen aus Liebe zur Welt.

Und aus dem gebrochenen Herzen fließen Blut und Wasser: Jesus hatte zuvor einmal gesagt: Wer an mich glaubt, aus dessen Inneren werden Ströme lebendigen Wassers fließen. Und er meinte damit den Geist, der allen gegeben werden sollte, die an ihn glauben. So kommentiert es der Evangelist selbst.

Jesus gibt am Kreuz seinen Geist auf, er haucht ihn aus – und aus seinem Inneren fließen Ströme von Blut und Wasser. Die Kirchenväter, die großen Theologen der frühen Kirche, haben darin die Geburt der Sakramente gesehen: Das Wasser für die Taufe, für die Gabe des Geistes und das Blut für den hingeopferten Leib, die Eucharistie. Jesus gibt den Geist, er gibt uns die Eucharistie. Er ist das Lamm Gottes, das alles gibt, damit der Mensch durch ihn zurück zum Vater findet, nach Hause, in sein Reich.

Wenn wir dieses Brot des Lebens wirklich als solches erkennen würden

Liebe Schwestern und Brüder, Jesus ist der König im Reich der Barmherzigkeit und es beginnt schon in dieser Welt damit, dass Jesus sein Leben gegeben hat. Und wir haben Anteil daran. Wir kommen hier hinein, in die Kirche, und bekommen Leben geschenkt, Brot des Lebens, Jesus selbst in der Eucharistie.

Manchmal denke ich mir, wenn wir nur erkannt hätten, wem wir hier begegnen, dann müssten wir eigentlich wie die Kinder sein, die wir manchmal sehen, wenn wir mit Bildern von Hungersnot oder Flüchtlingselend konfrontiert werden. Da kommt ein Helfer ins Lager,  der teilt Brot aus – und die Kinder und die Menschen strecken sich ihm flehend und mit erhobenen Händen entgegen und bitten und rufen mt allem, was sie haben. Sie wollen das Brot, das ihre existenzielle Hungersnot stillt.

Der andere König der Liebe: Die Liebe bleibt

Liebe Schwestern und Brüder, das Königtum Jesu ist ein Königtum seiner Liebe, seiner Hingabe, an der wir teilhaben, wenn wir ihm unser Vertrauen schenken, wenn wir glauben. Er gibt vom Kreuz her Leben, neues Leben. Er gibt ein Leben, das nicht mehr umzubringen ist. Und er ist der König einer Welt der Liebe, und er will uns dort hinein lieben – in dieses Reich.

Egal wo, egal wann, egal wie. Deshalb hat Papst Franziskus dieses Jahr zum Jahr der Barmherzigkeit ausgerufen. Er will zeigen, dass Jesus in seiner Kirche da ist – immer ist er da als vergebende Liebe. Wir schließen in diesen Tagen die Pforte der Barmherzigkeit wieder – aber, liebe Schwestern und Brüder, die großartige Nachricht ist: die barmherzige Liebe bleibt. Sie wartet auf unseren Glauben, auf unser Bekenntnis, auf unser Gebet: Jesus, unser König, schau auf uns, lass uns nicht allein, hol auch uns in dein Königreich – und mach uns selber zu Boten Deiner barmherzigen Liebe. Amen.