Die Braut Gottes und die neue Vaterschaft: Die Predigt von Bischof Stefan Oster zur Priesterweihe in Niederalteich 2016.
Lesungstexte: Sach 2,14-17; Mt 12,46-50
Lieber Frater Ambrosius, Schwestern und Brüder im Glauben,
im Vorgespräch zu diesem heutigen Festtag haben wir gemeinsam feststellen können, dass es ein schöner Zufall ist, dass dieser Tag in unserer Kirche heute „Unserer Lieben Frau vom Berge Karmel“ geweiht ist. Hier geht es einmal um eine reiche mönchische Tradition, um Ordensbrüder, die im Karmelgebirge im Heiligen Land, in der Tradition des großen Propheten Elija ein asketisches Leben führen wollten und so den Karmelitenorden gegründet haben.
Es geht zugleich um den Osten, von hier aus gesehen, und damit auch um die Kirche im Osten und schließlich um die Verehrung der Mutter des Herrn, die eben dort eine bedeutsame Rolle in der geistlichen Tradition des Ordens gespielt hat und spielt. Und auch wenn es nicht ganz eins zu eins auf die Benediktiner passt, so sind es doch immerhin eben Mönche, in der Tradition der östlichen Kirche, die die Mutter des Herrn besonders verehren. Und das trifft wiederum alles für Sie zu. Für Ihre Liebe zur ostkirchlichen Tradition und Liturgie und auch für die bedeutsame Rolle, die der Gottesgebärerin dort zukommt.
Israel ist eine Braut
Wir haben in der ersten Lesung aus dem Buch Sacharja den so schönen Satz gehört: „Alle Welt schweige in der Gegenwart des Herrn. Denn er tritt hervor aus seiner heiligen Wohnung.“ Im Alten Testament gibt es – wie auch hier im Buch Sacharja – viele Bezüge, in denen Israel, in denen Juda, in denen Jerusalem, in denen der Zion mit einer Frau verglichen wird. Die Tochter Zion haben wir in der Lesung gehört.
In anderen prophetischen Texten wird Israel die Braut des Herrn genannt, oder die Tochter Jerusalem. Solche Bilder bringen das Land, den Ort und das Volk zusammen im Bild eines Menschen, im Bild einer Frau. Das Land und das Volk zusammen werden als Frau dargestellt, die einen Bund mit Gott schließt, einen Hochzeitsbund. Israel, das Volk Israel, ist die Braut im Liebesbund mit Gott. Oder, wenn Israel dem Bräutigam untreu wird, dann ist es die Hure, die Dirne, die sich mit Götzen, mit Geld oder weltlicher Macht einlässt und all dieses Gott vorzieht.
Gottes Volk, Gottes Braut
Und dann hören wir heute zusätzlich: So sehr will sich Gott mit seinem Volk, mit seiner Braut im Bund vereinigen, dass er selbst daraus hervorgehen kann: Das Land, das Volk also zugleich als der Ort, in dem Gott einwohnt und aus dem er hervortritt: „Alle Welt schweige in der Gegenwart des Herrn, denn er tritt hervor aus einer heiligen Wohnung“.
Ist es nicht unglaublich, dass wir Christen in Maria ein Geheimnis betrachten dürfen, in dem alles dies zusammenkommt, in dem alle bloßen Bilder und Symbole Erfüllung finden in einer realen, geschichtlichen Person: Maria ist in Person die Tochter Israel, die Tochter Zion, die exemplarisch ihr ganzes Volk repräsentiert. Sie ist diejenige, die Ja sagt zum Bund Gottes mit ihr, sie ist die Braut des Geistes Gottes und sie ist die, in deren Gegenwart wir in der Heiligen Nacht schweigen, weil aus ihr, aus seiner heiligen Wohnung der Herr selbst hervortritt. Unfassliches Geheimnis, aber auch: bleibendes Geheimnis, anwesendes, währendes Geheimnis.
Die Jesus-Familie
Lieber Frater Ambrosius, als wir über Ihre Weihe gesprochen haben, haben Sie mir erzählt, dass Ihnen im Laufe Ihres Weges, auch im geistlichen Leben die Erfahrung zugewachsen ist, wie sehr Sie einer neuen geistlichen Familie zugehören. Wie sehr Ihre Mitbrüder im Orden tatsächlich auch Brüder sind, wie diejenigen, die zu Christus gehören, ein neues Band eint, das Band des Glaubens.
Das heutige Evangelium hat das ja deutlich gemacht: Jesus bekommt Besuch von den engsten Verwandten, die ihn sprechen wollten und jemand sagt es ihm, vermutlich mit der Überzeugung die nächsten Verwandten haben Vorrang und jetzt soll Jesus mal eine Pause machen und gefälligst mit der Mutter und den anderen sprechen. Aber Jesus wirkt hier ziemlich brüsk: „Wer den Willen meines Vaters tut ist für mich Bruder und Schwester und Mutter.“
Maria, unsere Urmutter
Das geistliche Band, das im Heiligen Geist geknüpfte Band, das die Menschen im Willen des Vaters zuhause sein lässt, das ist es, was mit Jesus verwandt macht. Heißt das nun, dass er seine eigene Mutter zurückweist? Natürlich nicht. Es heißt eher: Sie hat ihre besondere Rolle in der Nähe zu Jesus und zum Vater viel eher aus ihrem Ja zu seinem Willen, zum Willen Gottes, aus ihrem Glauben, aus ihrem Gehorsam und nicht zuerst aus der biologischen Mutterschaft.
Wir sind eine neue Familie, und wir sind es in Christus. Und in geheimnisvoller Weise ist Maria deshalb tatsächlich eine Art Urmutter, eine Urgestalt von Kirche, ein erster, der ursprüngliche Wohnort Gottes in Person. Man kann sagen: In ihrer Nähe stehen wir dort, wo wir geistlich selbst neu geboren werden, als Kind der Kirche und Kind des Vaters. „Alle Welt schweige in der Gegenwart des Herrn, denn er tritt hervor aus einer heiligen Wohnung“.
Und, liebe Eltern von Frater Ambrosius: Natürlich bleiben Sie die natürlichen Eltern Ihres Sohnes. Und wir sind sehr dankbar, dass Sie hier sind und seinen Weg immer so wohlwollend begleitet haben. Aber noch schöner ist es, dass Sie auch zur geistlichen Familie gehören, zu den Geschwistern Jesu, die sich bemühen, Ihm nachzufolgen.
Das Geheimnis geistlicher Vaterschaft
Als ich Sie, lieber Frater Ambrosius, gefragt habe, was für Sie denn nun Priestertum bedeuten würde, haben Sie geantwortet, dass es dabei auch um das Geheimnis von Vaterschaft gehe, von geistlicher Vaterschaft. Und es ist wahr: Sie werden ab heute „Pater“ genannt werden, Vater. Und in vielen Ländern werden nicht nur die Ordenspriester, sondern einfach alle Priester Vater genannt, Father im englischsprachigen oder Padre im romanischen Raum. Ja, was wäre dann das für eine Vaterschaft?
Was für eine Zeugungskraft sollen Sie ausüben, welche Kinder sollen Sie haben? Nun, wenn wir geistliche Familie sind, dann sind Sie als Priester eine Art Mitzeuger für die Geburt und das Wachstum neuer Familienmitglieder.
Eine neue Geburt
Wenn Menschen Kirche entdecken als den Ort, wo sie geistlich und geistig daheim sind, wenn sie anfangen ernst zu nehmen, dass es hier wirklich um neues, um tieferes Leben geht, wenn in ihrer Seele das Geheimnis Jesu aufgeht und zum Durchbruch kommt, dann beginnt tatsächlich etwas, was neu macht, was Menschen nicht selten wie eine neue Geburt empfinden.
Der geistlich neu geborene Mensch sieht äußerlich genau so aus, aber innerlich hat er die Richtung geändert, die neuen Überzeugungen sind tiefgreifender als alles Bisherige. Er schaut und geht innerlich in eine andere Richtung. Er wächst in etwas hinein, was diese Welt überdauert, sofern es nur diese Welt ist, er ist neu geboren.
Sie helfen bei der Zeugung von Menschen, deren Wurzeln tiefer in den Boden reichen und deren Horizont weiter ist als der sichtbare Himmel. Sie eröffnen im gelingenden Fall einen Raum des Geheimnisses, der aber nicht einfach rätselhaft oder mysteriös ist, sondern ein Geheimnis, in dem man aber daheim sein kann, weil man spüren darf, das Geheimnis der Kirche ist viel größer als ich selbst: „Alle Welt schweige in der Gegenwart des Herrn.“
Väterliche Verantwortung
Aber als Mann mit einer von Gott her zugesprochenen Zeugungskraft haben Sie dann auch Verantwortung: Sie haben die Verantwortung, den Menschen diesen inneren Raum aufzuschließen und nicht einfach zuzusperren. Sie haben die väterliche Verantwortung, den Menschen ein barmherziger Priester zu sein.
Einer, der weiß, von wem er beschenkt ist, aus wessen barmherziger Liebe und Vergebung er selbst unaufhörlich lebt. Sie haben Verantwortung dafür, dass Sie die Gabe der Weihe, die geistliche Vollmacht zur Konsekration der Gaben und zur Vergebung der Sünden nicht für sich selbst haben. Es ist keine Gabe zur Selbstgenügsamkeit, nie.
Fruchtbar sein
Sie sind berufen, diese Gabe, und was aus ihr fließt, selbst zu verschenken. Und Sie verschenken damit etwas, was Sie selbst aus sich nicht haben. Geistliche Zeugungskraft kommt vom Vater, vom Schöpfer, von dem sich jede Väterlichkeit her ableitet. Deshalb sagt Jesus im Evangelium einerseits: Wir sollen niemand unseren Vater nennen, weil es letztlich nur den im Himmel gibt.
Andererseits sagt Paulus im Korintherbrief: In Christus bin ich euch Vater geworden. Priesterliche Vaterschaft ist Weitergabe einer Zeugungsmacht, die Sie selbst empfangen, in der Sie selbst leben müssen, um sie fruchtbar verschenken zu können.
Der Priester gibt etwas, was er selbst nicht hat
Und der Raum, in dem das Empfangen geschieht, dieser Raum ist die Kirche, ist die Mutter des Herrn, ist der Wohnort Gottes in der Welt, ist die Liturgie, ist das Gebet. Dort hineingetaucht, dort verankert, gehen Sie zu den Menschen hinaus und verschenken, was ihnen aus ihrer eigenen inneren Heimat geschenkt und zugewachsen ist: Liebe, die umsonst ist. Und je ähnlicher Sie dem Herrn werden, desto mehr werden Sie spüren: Es geht auch immer mehr darum, nicht nur etwas, sondern sich selbst zu verschenken.
Die Braut im Liebesbund mit Gott
Lieber Frater Ambrosius. Ich danke Ihnen von Herzen, dass Sie sich in die Verfügung nehmen lassen, dass Sie sich dem Herrn zur Verfügung stellen, dass Sie in seiner Zeugungskraft Pater werden wollen. Ich bitte Sie immer neu um die Einübung des Bleibens bei Ihm und bei seiner Heiligen Mutter.
Und ich bitte Sie immer neu um die Einübung des barmherzigen Hinausgehens, des barmherzigen Übers-sich-hinaus-gehens. So bringen Sie als Priester Christus zur Welt, die Liebe und Wahrheit, die die Welt braucht, um sich von ihr verwandeln zu lassen: „Alle Welt schweige in der Gegenwart des Herrn, denn er tritt hervor aus einer heiligen Wohnung“.
Der Herr überschütte Sie dazu mit Segen, die Mutter Gottes bewahre Sie unter ihrem Schutzmantel und unsere Heiligen, besonders die Heiligen Ihrer Ordensfamilie mögen Ihnen treue Fürsprecher sein. Amen.
Comments
Verehrte Exzellenz, danke sehr für diese wunderbar gewählten Worte der geistlichen Vaterschaft des Priesters in väterlicher Liebe und Verantwortung für alle diejenigen, die neu geboren in Christus der Anleitung, der Begleitung und Annahme bedürfen.
Gerade in unserer Welt, in der so viele Familien auch zerbrechen, geographisch getrennt sind, Scheidungen Einsamkeit hinterlassen, Trennungen liebende Annahme als Verlust empfunden werden, sind es die Priester, die Väter in Christo, die mit einerseits liebender Distanz aber zugleich christlicher Nähe in der Liebe Gottes für die „Kinder Gottes“ da sind.
Sie schenken zudem in den Sakramenten diese unverbrüchliche und untrennbare Nähe Gottes und Seine Liebe, die durch das ganze irdische Leben wie auch darüber hinaus trägt.
Bei jeder Heiligen Messe und im Empfang der Eucharistie bete und bitte ich inständig, daß es uns immer vergönnt und geschenkt sei, durch den Priester in die Gegenwart Christi genommen zu sein und IHM begegnen zu können.
Im Priesterjahr gab es ein Heft über die geistliche Mutterschaft für die Priester. Das ist die marianische Komponente und unsere Verantwortung und liebende Antwort als Gemeinde und Gläubige auf die geistliche Vaterschaft der Priester.
In diesem Heft schilderte eine alte Frau aus Rußland, wie sie bis kurz vor ihrem Tode fast 70 Jahre warten mußte, daß ein Priester ihr wieder die Heilige Kommunion gebracht hat und ihr das Sakrament der Krankensalbung und der Versöhnung geschenkt hat. Sie selbst schilderte es so, als habe sie solange ausgeharrt in ihrem langen Leben, um in Hoffnung und Erwartung der Gegenwart des Herrn in Frieden gehen zu können.
Was für ein Geschenk an uns, daß wir Nachwuchs wie Pater Ambrosius haben, der eine weitere Generation ist, die uns diese Gegenwart schenken möchte und dabei sich ganz in den Dienst des Herrn stellt.
Ein von ganzem Herzen gesprochenes „Vergelt’s Gott“ an Sie, Pater Ambrosius, und an Sie Exzellenz in Ihren Worten die Bedeutung der geistlichen Vaterschaft und Liebe in den Vordergrund zu stellen.
Möge der Herr alle Zeit, auf allen Wegen, zu jeden Stund und Ihr ganzes Leben, Ihnen Geleit, Schutz und Segen geben !
Hochachtungsvoll
Susanne Möhring