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Wo sind die Protagonisten des friedlichen Islam?

Nach dem Terroranschlag von Nizza am 14. Juli 2016 eine Stellungnahme von Bischof Stefan Oster: Wo sind die Protagonisten des friedlichen Islam – und wo sind sie gemeinsam?

Fassungslos über das Geschehen trauern und beten wir für die Opfer von Nizza. Und wir fragen uns: Wann endlich?

Friedlicher Islam, wo bleibt der Aufschrei?

Nach diesem Terrorakt – und nach denen in Paris, nach Brüssel, nach Istanbul, nach Madrid, nach, nach, nach… Nach den Gräueltaten von IS, Boko Haram, Al Kaida und anderen Terrorgruppen auf allen Kontinenten der Welt, nach, nach, nach… Wann endlich kommt der kollektive, der große gemeinsame Aufschrei aller friedliebenden und wirklich ihrem Gott ergebenen Muslime der Welt, dass sie ihren Glauben nicht länger im Namen von Terroristen missbrauchen lassen wollen?

Wann endlich tun sich die religiösen und politischen Führer der islamischen Welt zusammen, um der Welt zu erklären und zu demonstrieren, dass Islam und Terrorismus nicht zu vereinbaren sind? Und wann passiert eine solche große gemeinsame Demonstration der Friedfertigkeit endlich auch bei uns – von der großen Zahl der Muslime, die in unserem Land leben?

Bekenntnis zur Freiheit des Glaubens?

Wann endlich kommt das ehrliche Bekenntnis zur Freiheit des Glaubens und des Bekenntnisses in so vielen Ländern der Welt, in denen Muslime in der Mehrheit sind? Wann endlich hört in diesen Ländern die Verfolgung oder Unterdrückung religiöser Minderheiten auf?

Und warum eigentlich müssen wir beständig darüber diskutieren, ob in unseren Flüchtlingsunterkünften Christen und andere Gläubige von Muslimen diskriminiert werden, wenn es keinen Hintergrund für solche Vorfälle gäbe? Warum wird das nicht oder so wenig von den Muslimen bei uns selbst diskutiert? Und wo sind die Zusammenschlüsse der Friedliebenden unter allen Muslimen; Zusammenschlüsse und Initiativen, die in der derzeitigen Weltlage so viel wichtiger wären als vieles Andere?

Könnte es diesen Islam geben?

Warum müssen eigentlich wir Christen oder westlichen Demokraten immer darauf hinweisen, dass es einen Islam geben könnte, geben sollte, und auch gibt, der mit der Verachtung Andersgläubiger, der mit der Geringschätzung von Frauen, der mit der Verachtung von freiheitlichen staatlichen Verfassungen und einer buchstäblich verstandenen Scharia nichts zu tun hat?

Und der mit dem grundsätzlichen Respekt vor der Würde jedes Menschen, egal welcher Rasse, Geschlecht, Religion, Hautfarbe, Herkunft, geschlechtlicher Orientierung vereinbar wäre? Wann endlich wagen sich die Muslime aus der Deckung, die gemeinsam alles das für ihre Religion leben und glauben und dann auch einfordern wollen – mit allem religiösen, politischen, gesellschaftlichen Einfluss, den sie aufbringen können?

Müssen sie sich fürchten?

Oder sind sie deshalb so wenig hörbar und sichtbar, weil sie sich fürchten? Vor der Mehrheit, vor den Gewalttätigen, vor den Hütern einer nur buchstäblichen Auslegung des Koran? eil es die islamische Theologie am Ende doch nicht hergibt? Oder weil sie gemeinsam so schlecht organisiert sind? Oder warum auch immer?

Längst schon, im Grunde viel zu lange, sind meines Erachtens diejenigen Muslime gefordert, die aus ihrem Glauben motiviert tatsächlich dagegen halten wollen, friedlich, aber intensiv und groß und gemeinsam – gegen das Unheil, das im Namen ihrer Religion immer neu über die Menschen kommt. Denn je weniger sie es tun, desto mehr lassen sie zu, dass täglich, stündlich der Verdacht weiter befeuert wird, dass der Islam eine Religion ist, die der Welt Angst macht und ihr nicht den Frieden bringt.

Islam und Christentum

Als Christ bin ich der Überzeugung, dass wir alle einen gemeinsamen Schöpfergott haben, gleich welchen Glauben einer hat. Ich bin überzeugt, dass wir alle Brüder und Schwestern einer Menschheitsfamilie sind! Mir ist bewusst, dass ich in den Augen von vielen Muslimen einen Glauben vertrete, der in der Geschichte auch nicht nur Frieden gebracht hat.

Aber wo immer das geschehen ist, wo immer im Namen unseres Glaubens Gewalt ausgeübt wurde, haben wir unseren Gründer, haben wir Christus, den Gewaltlosen, verraten und müssen in Seinem Namen für jede Gewalttat um Verzeihung bitten und Buße tun. Und wir haben diese Bitte auch schon ausgesprochen und tun es immer wieder. So sehr ist der Frieden in der Welt nötig und zwischen den Religionen besonders. Deshalb wünsche ich mir von allen Muslimen, die den Frieden wollen: Steht endlich gemeinsam auf gegen den Wahnsinn!


Eine Ergänzung zu diesem Appell an Vertreter eines friedlichen Islam verfasste Bischof Stefan Oster am 21. Juli 2016 unter folgendem Titel: Hoffen auf die friedliebenden Muslime – Bestätigung, Widerspruch und Bitte um Differenzierung.