Einer aus Milliarden?

Einer aus Milliarden? Oder was das ganz Neue für uns bedeutet! Die Predigt von Bischof Stefan Oster in der Osternacht 2017 mit Erwachsenentaufe.

Liebe Schwestern und Brüder im Glauben,
wir kommen auf die Welt und sind zunächst unmündige Kinder. Wir lernen dann mehr oder weniger mühsam, wie man sich in der Welt der Erwachsenen bewegt. Wir lernen, was man gut finden soll und schlecht. Wir übernehmen vielleicht Verantwortung, wir suchen nach Dingen, die uns Freude machen, wir versuchen dem Ganzen des Lebens irgendeinen Sinn abzugewinnen.

Einer aus Milliarden? Was das ganz Neue für uns bedeutet

Aber ob uns das mit der Suche nach Freude und Sinn aufs Ganze gelingt, ist ziemlich fraglich. Vielleicht gibt es ja doch keinen. Und überhaupt: Allmählich müssen wir dann ohnehin wieder abtreten von der Bühne des Lebens. Der Tod wartet schon auf uns. Und wenn wir ehrlich sind: Eigentlich wartet er schon vom Augenblick unserer Geburt auf uns. Wir müssen sterben, liebe Schwestern und Brüder, alle. Und wenn wir sehr ehrlich mit uns sind: Dieses Bewusstsein vom Sterbenmüssen wirft eine Art dunklen Schatten auf alles, was es in dieser Welt gibt und was Sinn oder Freude macht.

Weil alles vergeht, nichts scheint zu bleiben. Der Sinn und das Glück dieser Welt meinen wir, liegt in den Beziehungen zu meinen Lieben? Weil ich dort wirklich zuhause bin? Weil wir einander mögen? Stimmt schon irgendwie! Aber was, wenn sie alle gehen, durch Streit, durch Leid und Tod? Was bleibt? Oder der Sinn dieser Welt liegt darin, dass ich viel erreiche oder dass mich viele Menschen kennen und gut finden? Und dann? Dann wird am Ende nur der Druck immer größer, dass ich das Erreichte festhalte oder vermehre. Oder dass ich den Erwartungen der Vielen entsprechen soll, die mich kennen. Und außerdem: Wer kennt morgen noch die Berühmten von heute oder gestern? Für wen sind die berühmten Toten wirklich noch relevant?

Einer aus vielen Milliarden?

Liebe Schwestern, liebe Brüder, wird dieser dunkle Schatten, der auf allem Vergänglichen liegt, aufgehoben durch das, was wir heute feiern? Denn was hat es für viele Milliarden von sterblichen und schon gestorbenen Menschen zu bedeuten, wenn einer, ein einziger, aus dem Todesreich zurückkommt? Bleiben alle anderen nicht doch im Grab? Im Grab der Vergänglichkeit? Ist unsere Welt nicht trotz dieses Einen immer noch gezeichnet mit Tod, mit Vergänglichkeit und mit all dem Schrecklichen, was es an Übeln gibt? Oder macht es doch irgendwas anders?

Nur dann, wenn gilt: „Für uns“ und „Für mich“!

Nur dann, liebe Schwestern und Brüder, wird etwas anders, wenn wir erstens glauben können, dass es wahr ist, dass einer von den Toten auferstanden ist. Und wenn wir zweitens glauben können, dass es bei diesem Auferstandenen ein „Für-mich“ gibt und ein „Für-uns“. Wenn wir in dieses Vertrauen und in diese Perspektive hineinfinden, dann ändert sich alles. Und genau das war die Erfahrung der ersten Zeugen von Ostern: Da ist einer getötet worden und er ist jetzt auf geheimnisvolle Weise wieder da, auf ganz intensive Weise, ganz real und erfahrbar – er lebt.

Paulus zum Beispiel, der später dazu kommt, sagt in einem seiner Briefe. Jesus ist 500 Menschen gleichzeitig erschienen – und die meisten davon seien noch am Leben. Das heißt: Er selbst kannte sehr viele Augenzeugen, auch viele solche, die ihr eigenes Leben für die Überzeugung gaben: Jesus lebt. Und ja, diese wussten, es ist ein „Für uns“, „Für mich“. Der auferstandene Jesus meint mich persönlich. Er will mich hineinziehen in dieses Leben, das stärker ist als der Tod.

Wir sind die Herausgerufenen

Und wie geht nun dieses Hineingezogen-werden? Wie geht Teilnahme an diesem Durchbruch, der aller Vergänglichkeit in dieser Welt den letzten Stachel nimmt? Die Teilnahme geschieht durch Beziehung: Der Glaube, das Vertrauen ist ein Beziehungsgeschehen! Vertraue ich Jesus, öffne ich Ihm mein Herz, meinen Geist?

Nehme ich die Einladung an, die da sagt: „Ich habe es für Dich getan, alles für Dich! Kommst Du jetzt mit? Folgst Du mir nach? Willst Du zu denen gehören, die Kirche heißen, Ecclesia, das heißt: die „Herausgerufenen“?“ Es sind die Herausgerufenen aus einem Leben, bei dem am Ende nur der Tod bleibt – und sonst nichts.

Einer aus Milliarden kam zurück vom Tod

Aus diesem Leben sind sie heraus gerufen. Es sind die Zeugen und Zeuginnen, die schon Geschmack gefunden haben, die schon ahnen wie das neue Leben schmeckt, das den Tod überwunden hat. Es sind Menschen, die schon jetzt den Grauschleier der Vergänglichkeit, der sich über alles legt, durchstoßen können; es sind Menschen, die schon jetzt auf das Licht des neuen Lebens hinweisen können, das überall in der Welt aufleuchtet und gesehen werden will.

Es wird gesehen und erkannt von denen, die es in sich schon kennen. Und die deshalb auch anderen sagen können: „Spürst Du es? Erkennst Du es? In Dir leuchtet es auch schon! Das Licht des Auferstandenen, das Licht Christi“. Die, die ich meine, sind die Frohen und die Freien, von Jesus befreit.

Durch die Taufe: Wir sind jetzt mit Ihm verwandt

Schwestern und Brüder, wir werden hineingenommen in die Gemeinschaft derer, die an ihn glauben ganz besonders durch unsere Taufe! Durch die Taufe sagt der Herr: „Du gehörst mir, Du gehörst jetzt ins neue Leben. In die Gemeinschaft meiner Freundinnen und Freunde“. Mehr noch: Er sagt: „Wir sind jetzt verwandt. Wenn ich Dir von dem Leben geben darf, das ich bringe – weil Du es glaubst – dann sind wir Geschwister, dann sind wir Kinder desselben Vaters, geboren aus dem Heiligen Geist, der mein Geist ist. Dann sind wir Kinder der Kirche, Kinder des Lebens.“

Liebe Schwestern, liebe Brüder, es gibt so viel Schönes und Gutes in der Welt, aber dennoch spüren wir als Glaubende auch: Eine Welt, die Gott nicht mehr braucht, ist todgeweiht. Sie ist eine Welt in der das Leid und der Tod zu dominieren drohen. Sie ist eine Welt mit Terror, mit Kriegen, mit Umweltkatastrophen. Sie ist eine Welt mit Lügen, mit Fake-News, mit all ihren Spaltungen und Fraktionen, auch mit all ihrer Not der Endlichkeit. Diese Welt, meine Lieben, braucht unser Zeugnis vom Leben, von der Wahrheit und der Liebe, die vom Auferstandenen kommen. Jesus ist wirklich die Lösung von allem – weil er die Erlösung ist.

Drei, die als Erwachsene getauft werden

Und deshalb bin ich sehr froh und dankbar, liebe Alexandra, liebe Marcela, lieber Brian, dass Ihr drei heute hier steht und von dieser Wahrheit Zeugnis gebt: Ihr seid berührt worden vom Auferstandenen, der wirklich lebt. Ihr wollt zugehören zur Gemeinschaft mit Ihm und zur Gemeinschaft derer, die Ihn kennen und lieben. Ihr wollt mit uns Kirche sein – und deshalb in dieser besonderen Nacht als Erwachsene die Taufe und die Firmung empfangen.

Dafür habt Ihr einen langen Weg der Vorbereitung auf Euch genommen. Wir alle wissen, liebe Schwestern und Brüder, dass es heutzutage wirklich schwer ist, durch so viele Verstellungen hindurch zum inneren Geheimnis von Glaube und Kirche zu finden. Die Verstellungen sind so vielfältig: Am schlimmsten ist wohl, wenn wir selbst als Männer und Frauen der Kirche unglaubwürdig leben. Aber ja, wir sind auch alle Sünder – und sind uns dessen bewusst.

Einer aus Milliarden: Damit wir neue Menschen werden

Und Jesus ist gekommen, um uns von Sündern zu neuen Menschen zu machen. Und das ist für uns alle auch Weg, ein Prozess, zu dem er uns einlädt, und bei dem wir nicht einfach irgendwann fertig sind. Aber die eigentliche Frage ist doch die: Glauben wir wirklich auch an die Vergebung der Sünden, an das neue Leben, das vom Auferstandenen kommt – und das er uns immer wieder neu anbietet. Und sind wir als Gläubige wirklich Menschen, die andere hinein führen können in das Geheimnis des Lebens, das wir schon geschmeckt haben?

Wenn wir ehrlich sind, haben wir alle als Gemeinschaft der Kirche, hier noch viel Luft nach oben. Und ich möchte kaum etwas lieber, liebe Schwestern und Brüder, als die Sehnsucht von uns allen wecken, die in der Frage zum Ausdruck komme: Jesus, wer bist Du eigentlich wirklich für mich. Lassen wir uns neu ein auf die persönliche Beziehung mit Ihm – mit dem Lebendigen, der uns heute Nacht den Grauschleier des Todes zerreißt und den Himmel wieder aufmacht. Und der uns damit zeigt, wo wir eigentlich zu Hause sind! Bei Ihm, im Leben.

Zeugen und Zeuginnen der Wahrheit

Liebe Alexandra, liebe Marcela, lieber Brian – voller Freude und Dankbarkeit nehmen wir Euch als Kirche heute in die Gemeinschaft der Geschwister Jesu auf. Ich danke für Euer Zeugnis und ich danke vor allem all jenen, die Euch geholfen haben, den Weg zu gehen und immer klarer zu sehen.

Stellvertretend für all diese Menschen möchte ich unseren Studentenpfarrer, Domvikar Andreas Erndl, nennen, der bei allen Dreien von Euch, begleitender Zeuge des Herrn sein durfte und nun Euer Pate ist. Für uns alle seid Ihr Drei heute Nacht Stärkung! Ihr seid neue Zeuginnen und Zeugen der Wahrheit dessen, was wir heute Nacht feiern: Jesus lebt. Er ist auferstanden. Hallelujah.