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Kommunikation mit dem Schöpfer – Erster Weihnachtstag 2014

Kommunikation hat viel mit Weihnachten zu tun – erklärt am Beispiel eines fantastischen Lego-Modells. Die Predigt von Bischof Stefan Oster zum ersten Weihnachtsfeiertag 2014 im Passauer Stephansdom.

Liebe Schwestern und Brüder im Glauben,
lassen Sie sich von mir auf eine kleine Gedankenreise mitnehmen: Stellen Sie sich vor, Sie wären ein Modellbauer mit Lego. Jemand, der in seinem Keller eine riesige wunderbare Landschaft aus Lego errichtet. Mit allen, was dazugehört und was mit Lego eben möglich ist. Lego-Modelle von Bergen, Wald, Hügeln, Häusern, Maschinen, Autos, Eisenbahnen, Tieren und natürlich von Menschenfiguren.

Und weil Sie soviel Leidenschaft hineinstecken, wollen Sie, dass das Ganze auch noch alles in Bewegung kommt. Sie sind nicht nur Modellbauer, sondern auch großartiger Computerprogrammierer, so dass alles, was möglich ist, auch tatsächlich in Bewegung gerät. Die Bahn fährt, der Fluss fließt irgendwie, so sieht es wenigstens aus, die Tiere bewegen sich und die Menschenfiguren gehen umher und verrichten irgendwelche Dinge. Wunderbar. Voller Stolz zeigen Sie es Ihren Freunden, Sie lieben es. Aber weil Sie es lieben, wollen Sie natürlich irgendwann auch, dass Sie irgendwie mit diesen quasi-lebendigen Figuren nun auch wirklich kommunizieren können. Und Sie erfinden also ein Programm, mit dessen Hilfe, die Figuren wie in eine Art Dialog mit Ihnen treten können.

Durch lebendige Kommunikation Beziehung stärken

Nun, wenn man etwas wirklich gern hat, dann wünscht man sich das Geliebte auch wie in einer Art lebendiger Kommunikation, wie in Partnerschaft. Das geht uns z.B. auch bei unseren Haustieren so: Wir wollen mit dem Hund, den wir gern haben, beinahe so kommunizieren als wäre er ein Mensch. Und manchmal merken wir auch, dass unser Hund so ein paar ganz eigene Charaktereigenschaften hat, die nur wir erkennen dürfen durch unsere Beziehung mit ihm. Und wir erkennen dann, dass nicht nur die Menschen, sondern zum Beispiel auch Hunde ganz einzigartige Wesen sind. Der Mensch liebt – und sucht Kommunikation, mit dem was er liebt!

Aber von hier noch mal zurück zu unserem Lego-Modell. Sie lieben Ihre Figuren. Und nehmen wir an, Sie wären nun auch noch zusätzlich und tatsächlich in der Lage, den kleinen Gebilden etwas von Ihrem eigenen Geist so beizulegen, dass ganz allmählich wirkliche und echte Kommunikation möglich wäre. Die Figuren würden tatsächlich irgendwie lebendig und begännen über Sie, Ihren Schöpfer, zu staunen und Ihnen zu antworten. Natürlich wäre der Abgrund zwischen den Figuren und Ihnen immer noch unfassbar groß, daher würden Sie die Figuren ganz langsam versuchen an sich zu gewöhnen, wenn sie zu so etwas wie Freiheit erwacht sind. Die Figuren brauchen Zeit und gute Pflege, gutes Bemühen, sie setzen sie in einen wunderschönen, prächtigen Garten. Und die Figuren danken es Ihnen, indem sie sich einfach ihres Daseins in ihrer großartigen Modellwelt erfreuen und indem sie sich über Sie, ihren Schöpfer, freuen.

Zwietracht und gebrochene Kommunikation

Aber irgendwann, eines Tages, fängt eine der Figuren an zu entdecken, dass sie einerseits gar nicht so sehr auf Sie als den Schöpfer zu hören braucht, andererseits merkt sie, dass sie selber ein kleiner Gott sein und die anderen Mitfiguren, Menschen- und Tierfiguren beherrschen kann. So dass sie ihr, der Lego-Figur, und nicht mehr Ihnen, dem Schöpfer gehorchen. Diese eine Figur zieht ganz viele in ihren Bann. Und Sie selbst merken, dass Sie auf einmal nicht mehr soviel Zugang zu Ihren Figuren finden. Eine andere Figur tritt dann auch noch als Gegenspieler der ersten auf – zieht auch wieder andere in ihren Bann.

Auf einmal ist in ihrer großartigen, kleinen Modellwelt alles durcheinander: Es herrscht Streit und Krieg und Unterdrückung und Ausbeutung und Neid und Stolz – und das schlimmste ist: Alles kommt daher, dass die Figuren vergessen oder unterlassen haben, mit Ihnen, dem Erbauer dieser Modellwelt, zu kommunizieren. Und dass sie vergessen, haben, dass sie wirklich aus reiner Freude und Liebe erschaffen worden sind. Daher leiden nun Sie selbst als Erbauer, weil Sie sehen, wie die wundervolle Welt dunkel und von Unglück überzogen wird und wie die wunderbaren Figuren plötzlich ganz anders geworden sind als von Ihnen gedacht. Irgendwie läuft diese Welt wie von selbst, eben selbständig vor sich hin. Ihre große Vorstellung vom Dialog mit Ihren Figuren hat sich ganz zerschlagen. Es besteht irgendwie kaum noch Verbindung. Alles rennt irgendwie in die Sinnlosigkeit des Gegeneinander.

Der Schritt auf den anderen zu: Mensch wird Lego!

Was kann man da noch tun? Einfach alles in die unvermeidliche Katastrophe der gegenseitigen Selbstvernichtung laufen zu lassen? Da beschließen Sie das unfassbare: Sie beschließen, Ihre eigene, großartige Wohnung zu verlassen und in den Keller zu ziehen, mehr noch: Sie beschließen als Schöpfer, selbst in das Modell einzuziehen, Sie beschließen als Schöpfer, selbst eines dieser kleinen Geschöpfe zu werden, die aus eigenem Antrieb alle so anders geworden sind, als ursprünglich gedacht.

Sie beschließen, alles auf eine Karte zu setzen und selbst so eine animierte Lego-Figur zu werden. Mensch wird Lego! Damit Sie Ihren anderen Figuren zeigen können, wie deren Leben eigentlich gedacht war – und welchen Sinn das Ganze eigentlich hat. Sie greifen also persönlich ins Spiel ein – und sehen dies als den einzig angemessenen Weg, die Kommunikation in Liebe und in Freiheit mit Ihren Geschöpfen wieder herzustellen.

Das Geheimnis von Weihnachten

Schwestern und Brüder, Sie ahnen längst, dass ich in einem mehr oder weniger hinkenden Vergleich vom Geheimnis von Weihnachten zu reden versuche. Im Anfang war das Wort, haben wir gehört. Wort, Sinn, Sprache, Kommunikation, so kann man dieses großartige griechische Wort Logos auch übersetzen. Es geht um Gottes große Vernunft, die in allem Geschaffenen wirkt. Diese Vernunft als Ganze findet ihren tiefsten Ausdruck in Christus, er ist der Sinn von allem. Und er ist gekommen, damit er uns allen wieder hinein hilft in die Fähigkeit, mit Gott zu leben, uns IHM zu nähern, mit IHM wirklich in eine lebendige Beziehung zu treten.

Der Schöpfer von allem, nimmt die Gestalt eines einzelnen Geschöpfes an. Er setzt alles auf eine Karte. Der Autor und Bühnenbildner und Regisseur von allem und in einem beschließt teilzunehmen an seinem Spiel, das wegen des großen Geschenks der Freiheit aus dem Ruder zu laufen droht. Er will das Ruder herumreißen und seinen geliebten Geschöpfen wieder ermöglichen, in die richtige Richtung zu gehen. Mit IHM und durch IHN und in IHM. Aber dazu braucht es eben Richtungswechsel, es braucht innere Umkehr – und mehr noch, es braucht wirklich und real einen neuen Geist.

Wes Geistes Kind sind wir?

Kürzlich hatte ich mit einem Bekannten ein Gespräch über eine andere Person. Der Bekannte beklagte sich über das Verhalten dieses Dritten, über den wir sprachen, mit der Formulierung: „Da sieht man mal wieder, wes Geistes Kind er ist“. Wes Geistes Kind wir sind. Was bedeutet diese Redewendung? Sie bedeutet wohl, dass es tief in uns, in unseren grundlegenden Überzeugungen und Handlungsweisen und im Reden einen grundlegenden Geist gibt, aus dem alles andere hervorgeht. So sehr, dass man quasi alle anderen Handlungen als Früchte, als Hervorgänge, als Nachkommen aus diesem Geist erkennen kann. Oft wird das an der Oberfläche nicht so sichtbar. Wir müssen einen Menschen meistens erst mal gut kennenlernen, um zu verstehen, wes Geistes Kind er ist. Also von welcher tiefen Grundhaltung und Überzeugung zum Leben, zur Welt, zu den Anderen er geleitet wird.

Und das Evangelium lässt uns im Grund drei Alternativen in dieser Frage, um welche Geister es da gehen könnte. Die erste ist: Wir sind es selbst. Wir haben unsere eigenen Überzeugungen aufgebaut aus unseren Lebenserfahrungen, wir haben natürlich eine Herkunft, ein Wertesystem, eine Familie, eine Gesellschaft, und irgendwie fließt das alles in unsere eigene Grundüberzeugung mit ein. Wir sind also irgendwie unseres eigenes Geistes Kind, der natürlich beeinflusst und gewachsen ist durch Vieles, aber eben doch unser eigener, unverwechselbarer bleibt. Dann aber ist das Evangelium der Überzeugung, dass es auch den Ungeist gibt, den Fürsten dieser Welt, wie es ihn nennt.

Der Ungeist will die Kommunikation stören

Eine unheimliche Macht und ein geistiger Einfluss, den wir dann mit dem Evangelium auch den Versucher nennen. Er setzt bei unseren eigenen Überzeugungen an, vor allem dort, wo sie zwar gut aber schwach sind oder dort, wo sie verkehrt sind. Die guten, aber schwachen will er noch schwächer machen und die verkehrten will er stärken. Wenn sich ein Mensch auf diesen Versucher immer tiefer einlässt, dann kann das am Ende so weit gehen, dass er nicht mehr seines eigenen Geistes Kind ist, sondern Kind des Ungeistes; am Ende angetrieben von Lüge, von Bosheit, von Hass. Jesus sagt im Johannes-Evangelium einmal zu denen, die ihn radikal ablehnen: „Ihr habt den Teufel zum Vater.“ Wes Geistes Kind sind wir?

Nun im heutigen Evangelium wird uns verheißen, dass Jesus allen, die ihn aufnehmen, die ihn in sein Herz nehmen, die an seinen Namen glauben, dass er denen die Gotteskindschaft verheißt. Das sind dann die, die von neuem, die aus Gott geboren sind, wie im Evangelium zu lesen war.

Kinder des Gottesgeistes

Wes Geistes Kind sind die? Die sind Kinder des Heiligen Geistes, des Gottesgeistes. Wie Jesus selbst, der auch aus dem Heiligen Geist gezeugt worden ist. Und das ist die Erlösung: Die Zugehörigkeit zu Ihm, die Ähnlichkeit mit IHM, die uns hilft, die Beziehung zum Vater, die Kommunikation von Herz zu Herz wieder herzustellen. Sie hilft uns, in unserer wunderbaren, aber gebrochenen Welt wieder etwas aufscheinen zu lassen von der Gegenwart des Schöpfers in seiner Schöpfung. Sie macht uns fähig mit zu bauen an dem neuen Reich, seinem Reich, in dem Er wieder der König ist, der König unserer Herzen.

„Das Wort Gottes ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt.“ Und die Botschaft von heute, von diesem Weihnachtsfest, ist auch die, dass er nicht aufgehört hat, unter uns zu wohnen. Und dass er nicht aufgehört hat, allen die ihn aufnahmen, zu ermöglichen, aus ihm neu geboren zu werden. Er bleibt da, in seinem Geist – und wir sind eingeladen uns voller Freude über diese Gegenwart immer mehr als Kinder seines Geistes zu erweisen. Diese Kindschaft in jedem von uns wächst in dem Maß, in dem wir das Kind in der Krippe, den Gottmenschen wirklich lernen zu lieben. Amen.


Warum Weihnachten mehr ist als eine Nacht wie jede andere: Hier können Sie die Weihnachtsbotschaft 2014 ansehen.