Gleichnisse sind ein wichtiger Teil des Evangeliums. Gleichnisse verdeutlichen in Bildern, welche Realität in dieser Welt verborgen ist. Die Predigt von Bischof Stefan Oster zum 16. Sonntag im Lesejahr A 2014.
Liebe Schwestern und Brüder im Glauben,
das heutige Evangelium konfrontiert uns mit einer der wichtigsten Formen, in denen Jesus sich selbst und sein Evangelium den Menschen verständlich machen wollte: Er hat in Gleichnissen gesprochen. In kräftigen, bildhaften Beispielen und Erzählungen.
Heute haben wir gleich drei davon gehört: das Gleichnis vom guten Weizen und vom Unkraut, das Gleichnis vom Senfkorn und das Gleichnis vom Sauerteig. In allen dreien geht es um verschiedene Aspekte dessen, was Jesus das Reich Gottes nennt. An einer Stelle des heutigen Textes heißt es sogar: Er redete nur in Gleichnissen mit ihnen. Warum tut er das?
Eine verborgene Realität
Der Text erklärt, Jesus verkündet, was seit Anfang der Schöpfung verborgen war. Das Reich Gottes ist also offenbar eine Realität, die in dieser Welt verborgen ist, die aber ganz offensichtlich irgendwie zugänglich ist. Aber um zu erklären, worum es sich handelt, und wie unser Zugang dazu aussehen könnte, dazu braucht Jesus und brauchen wir Bilder und Gleichnisse.
Die beziehen sich alle irgendwie auf diese Welt, oft hat Jesus Bilder aus der bäuerlichen Landschaft seiner Zeit, Bilder vom Wachsen der Saat, von der Ernte, oder wie hier zusätzlich von der Produktion von Nahrungsmitteln, wie eben Teig und Brot. Aber das Anliegen Jesu ist: diese Welt soll durchsichtig werden, auf das Wirken Gottes, wir sollen verstehen, dass in den Menschen und Dingen und in allem menschlichen Tun auch Gott immer mit am Werk und am Kommen ist. Jesus selbst kommt in unsere Welt, er will immer neu kommen. Und an uns ist es, mit unserem Hören und unserem Antworten immer sensibler zu werden für die geistliche Welt.
Gleichnisse: In Bildern sprechen
Vielleicht ist Ihnen schon einmal aufgefallen, dass wir auch dann, wenn wir über unser eigenes Seelenleben sprechen, im Grunde auch nur in Bildern sprechen können, die aus der materiellen, erfahrbaren Welt kommen. Wenn wir zum Beispiel die Qualität unserer Gefühle und Beziehungen beschreiben wollen, dann verwenden wir Begriffe aus der Erfahrung des Raumes: wir sagen, jemand ist sehr eng im Denken oder er hat ein weites Herz.
Wir beschreiben unsere Beziehungen mit Begriffen aus dem Klima, wenn wir sagen: Du bist so kalt zu mir oder ich liebe Dich heiß und innig und mein Herz brennt wie Feuer. Auch wir selbst brauchen also Bilder, um unsere geistige und emotionale Welt zu beschreiben.
Ein Mann sät guten Samen auf einen Acker…
Und so macht es Jesus auch: das erste Gleichnis, das wir gehört haben, erklärt er später auch selbst. Ein Mann sät guten Samen auf einen Acker, die Leute schlafen, dann kommt der Feind und sät Unkraut. Jesus erklärt den Jüngern später, was das bedeutet: Er selbst streut den Samen aus, aber es gibt auch die andere Seite, die verhindern will, dass etwas wächst. Es gibt den Bösen, der Unkraut sät.
Und das Unkraut, sagt er, das sind die Söhne des Bösen – und die wiederum würden andere verführen. Liebe Schwestern und Brüder, das Böse ist eine Realität auch unter uns und auch in unserem Herzen. Und wer könnte von sich schon sicher sagen, welcher Seite er die Oberhand lässt. Der Seite in sich, die so gerne egoistisch sich um sich selbst dreht, oder der Seite, die Jesus folgt.
Unser Leben ist ein Weg
Jesus macht mit diesem Gleichnis auch deutlich, dass es um etwas geht, dass unser Leben ein Weg ist, auf dem wir uns immer neu für Gott oder eben die andere Seite entscheiden können. Und es ist keineswegs egal, auf welche Seite wir uns insgesamt schlagen.
Das Evangelium sagt – und nicht nur an dieser Stelle, sondern sehr häufig – es geht darum, sich aufs Ganze für Gott zu entscheiden und auch seine kleinen alltäglichen Entscheidungen immer neu von Ihm durchwirken zu lassen, sonst besteht die Gefahr, dass wir am Ende verloren gehen.
Worum sollen wir beten?
In der zweiten Lesung haben wir dann einen eigenartigen Hinweis von Paulus gehört, der über unser Gebet spricht. Er schreibt: Der Geist nimmt sich unserer Schwachheit an, denn wir wissen nicht, worum wir in rechter Weise beten sollen. Der Geist selber tritt jedoch für uns ein, mit Seufzen, das nicht in Worten auszudrücken ist.
Paulus spricht über zwei grundsätzliche Schwierigkeiten unseres Gebets – und zugleich hält er Trost bereit. Die erste Schwierigkeit ist: Worum sollen wir überhaupt beten? Denken Sie mal an alle Wünsche, die Sie in Ihrem Leben an Gott gerichtet haben, seit Ihrer Kindheit. Vermutlich und wenn Sie ehrlich sind, dann werden Sie für den einen oder anderen Wunsch heute sicher sagen: na, Gott sei Dank, Herr, hast Du mir den nicht erfüllt.
Wir sind wie Kinder
Wir sind ja im Verhältnis zu Gott wie Kinder – wie Kinder, die vielleicht am liebsten den ganzen Tag Süßigkeiten essen wollen – und wenn uns der Vater dann den Teller mit Gemüse hinstellt, dann halten wir ihn vielleicht für einen Tyrannen, der uns unser liebstes Essen nicht gönnt. Und jetzt müssen wir das schreckliche Gemüse essen. Aber wenn wir reifer werden, erkennen wir vielleicht, wie gut und gesund das Gemüse für uns war, und mit wie viel Liebe der Vater hier für uns gesorgt hat.
Liebe Schwestern und Brüder, wie oft bekommen wir – im Bild gesprochen – in unserem Leben Gemüse vorgesetzt, wo wir vielleicht viel lieber Gummibärchen hätten. Aber vielleicht ist gerade das Gemüse der Ausdruck der sorgenden Liebe des Vaters. Wir sind nämlich wie Kinder und wissen oft gar nicht, was für uns oder auch für die Anderen gerade das Beste ist.
In rechter Weise beten
Also, wir wissen oft gar nicht, worum wir beten sollen. Und dann fragen wir uns auch noch, wie wir in rechter Weise beten sollen? Wie geht eigentlich beten? Ist es Wörter sprechen, die wir gelernt haben? Ist es möglichst viel sprechen, innerlich sprechen mit Gott? Jesus warnt uns jedenfalls einmal, wir sollten beim Beten nicht plappern wie die Heiden, die meinen, sie würden nur erhört, wenn sie viele Worte machen.
Liebe Schwestern und Brüder, es gibt unzählige Antworten auf die Frage, was eigentlich Gebet ist. Aber Paulus sagt uns heute zu all diesen möglichen Antworten: der Heilige Geist betet ohnehin in Dir. Er tritt für Dich ein vor dem Vater. Er weiß um Deine Nöte. Und vielleicht ist es die tiefste Form von Gebet, in liebender Aufmerksamkeit, im Schweigen vor Ihm zu sein, weil wir vertrauen dürfen, dass der Geist auch in uns in rechter Weise betet.
Gleichnisse verstehen
Und wenn wir in das innere Gebet des Geistes einschwingen, dann wächst in jedem Fall die Liebe zum Vater und die Liebe zu Jesus. Und in dieser Nähe wiederum lernen wir auch seine Gleichnisse tiefer verstehen. Im Evangelium haben wir es auch so gehört: Die Jünger sind die, die in der Nähe von Jesus leben. Und ihnen erklärt er die Gleichnisse, bei ihm in seiner Nähe erschließen sie sich.
Liebe Schwestern und Brüder, wenn wir Jesus lieben, dann leben wir innerlich in seiner Nähe – und dann dürfen wir auch die Erfahrung machen, dass sich uns manches Gleichnis wie von selbst in seiner Tiefenbedeutung erschließt. Es wird plötzlich verständlich, wahr und schön. Und je tiefer wir innerlich bei Jesus sind, desto mehr erschließt sich die Welt um uns herum ganz neu.
Durchsichtig auf Gottes Gegenwart
Wir lernen neu zu verstehen, dass die ganze Welt durchsichtig wird auf Gottes Gegenwart, wir lernen verstehen, dass die ganze Welt Ort seiner Ankunft ist und wir freuen uns, dass wir spüren lernen, wie sehr das Reich Gottes in unserer Mitte hereindrängt und Wirklichkeit wird in unserer Seele und in der der anderen Menschen.
Wir spüren es, aber wir können es vor allem durch unser Handeln verdeutlichen, oder wenn wir – wie Jesus – in Bildern und Gleichnissen davon zu sprechen lernen. Liebe Schwestern und Brüder, die geistliche Welt ist tiefer und größer als wir alle ahnen, aber sie reicht jetzt schon in unsere Welt hinein. Wir sind eingeladen, sie mit den Augen des Herzens und mit den Augen Jesu zu entdecken. Amen.