Bild: B. Osdarty / pbp

Heilig, heilig, heilig – Informationstag für Kirchenberufe

Heilig, heilig, heilig – wie nah müssen wir Gott sein, um das voller Freude jubeln zu können? Die Predigt Stefan Oster zum Informationstag zu den Berufen der Kirche 2014.

Meine Lieben,
die erste Lesung, die wir gehört haben, ist ein ungeheuerlicher Text. Sie stammt aus dem Buch des Propheten Jesaja, aus den Anfangskapiteln. In ihr wird die Berufungsgeschichte des Propheten geschildert. Eine gewaltige Vision wird uns da vor Augen gestellt. Der Prophet ist in den Himmel versetzt. Er sieht den Herrn, wie er sagt – auf seinem Thron. Und dieser Anblick ist so gewaltig, dass er die Herrlichkeit des Tempels um ein Vielfaches überbietet.

So groß ist der Herr, dass nur der Saum seines Gewandes bereits den Tempel ausfüllt. Engel stehen vor ihm, Wesen, die ebenfalls gewaltig geschildert werden, mit sechs Flügeln, aber dennoch bedecken sie vor der Größe und Herrlichkeit Gottes ihr Gesicht. Und sie rufen Heilig, heilig, heilig. Die ganze Erde ist erfüllt von der Herrlichkeit des Herrn.

Heilig – Ruf vor der Herrlichkeit des Herrn

Meine Lieben, wir werden jetzt gleich die Heilige Messe feiern. Und sicher wisst Ihr, dass wir gleich Heilig, Heilig, Heilig singen werden. Wir stimmen gleichsam ein in diese himmlische Feier, diese himmlische Szenerie, in der Gott, der unfassbar Große gelobt und gepriesen wird.

Während die Engel ihr Heilig singen, heißt es im Text, beben die Türschwellen des Tempels und der Tempel füllt sich mit Rauch. Es ist gewaltig, so gewaltig, dass Jesaja meint, er muss vergehen. Er sieht die Herrlichkeit des Herrn, aber er fühlt sich im Angesicht dessen, was er sieht, klein und gering und niedrig und sündig.

Vor Gott treten

Wir können uns gleich mal fragen: Was wäre, wenn wir die Gelegenheit hätten, selbst in diese Szene versetzt zu werden. Stellen wir uns vor, die Türen gehen auf und wir betreten die andere Welt, in der wir Gott in seiner vollen Majestät und Größe begegnen könnten. Und zwar einem Gott, von dem wir wissen, dass er uns erschaffen hat, einem Gott, der wahrhaftig ist und unfassbar groß und schön; einem Gott, der uns seine Geschöpfe sieht und auch sieht, was wir bisher aus unserem Leben gemacht haben. Wie würde es uns gehen, angesichts dessen? Könnten wir Jesaja nicht gut verstehen? Wenn er sagt: Weh mir, ich bin verloren. Ich bin ein Mann mit unreinen Lippen und lebe in einem Volk mit unreinen Lippen.

Ich könnte es verstehen, meine Lieben. Aber Jesaja erlebt nun, dass einer der Engel mit einer glühenden Kohle kommt, gleichsam mit dem Feuer der Reinigung. Er berührt seine Lippen mit dieser Kohle und sagt: Deine Schuld ist getilgt. Jetzt kannst Du gehen und reden und verkündigen.

Gott kommt in Christus zu uns

Meine Lieben, das neue Testament vertieft diese Berufung des Propheten um eine neue, eine ebenfalls unfassliche Dimension. Wir Christen glauben, dass derselbe Gott, dem Jesaja da begegnet ist, in Christus Mensch geworden ist. Nicht wir werden gleich nach oben gezogen, wo wir meinen, wir müssten vergehen. Sondern umgekehrt: Gott kommt in Christus zu uns nach unten.

Derselbe herrliche, große, majestätische Gott wird ein Mensch, zuerst ein Baby, dann ein Junge, dann ein Zimmermannslehrling bei seinem Pflegevater Josef, dann ein Wanderprediger, schließlich ein Gefolterter und Gekreuzigter. Erst nach der Auferstehung erkennen die Jünger vollends, wer ihnen da begegnet war und wer sie gesandt hat. Derselbe, von dem Jesaja gesprochen hat. Und auch sie verstehen, dass sie durch eine Art Reinigung hindurch müssen, durch ein Feuer, dass sie verwandelt.

Durch Jesus die Liebe Gottes verstehen

Aber sie verstehen durch Jesus viel, viel tiefer, dass dieses Feuer, diese Herrlichkeit für uns nichts anderes ist als Hingabe, als Liebe, als  das Feuer der Liebe Gottes. Jesus liebt uns und wer sich von dieser Liebe berühren lässt, der kann auch aus vollem Herzen Heilig, Heilig, Heilig singen. Und der kann auch von innen her verstehen lernen, dass auch wir, jeder einzelne von uns, von ihm geliebt ist.

Je näher wir diese Liebe an uns in unser Herz heran und hereinlassen, meine Lieben, desto mehr spüren wir vielleicht: da ist etwas in mir, das brennt, das kann mich verwandeln, das kann aus mir einen Menschen machen, der wirklich hinausgehen und von dieser Liebe Zeugnis geben kann, der sie selbst leben lernt. Jesus ruft auch uns, hier und heute und immer wieder.

Heilig werden – wir sind berufen

Er hat den Heiligen Nikolaus vor über 1500 Jahren berufen, ein Bild seiner Menschenfreundlichkeit zu sein – und er ruft immerzu Menschen wie Dich und mich, uns berühren und verwandeln zu lassen vom Feuer seiner Liebe. Ich bin sicher, dass Gott Dich, so wie Du da bist, genau so liebt, wie mich oder wie den Papst oder wie Frau Meier aus der Nachbarschaft. Es ist an uns, Ihm eine Antwort zu geben, die uns tiefer zu ihm hinführt und deshalb auch weiter hinaus führt.

Wenn wir auf der Suche nach Jesus bleiben, wenn wir Ihm immer neu unser Herz hinhalten, dann wird er in uns Sehnsucht wecken und das Feuer entzünden, das uns verwandelt. Er will uns berufen und senden. Und er will uns einen Weg zeigen, denn nur jeder einzelne unvertretbar und unvertauschbar gehen kann. Das kann dann in verschiedenen Berufen und Berufungen und in verschiedenen Lebensformen sein. Aber er hat uns gemacht, damit wir dem Namen die Ehre geben, den wir tragen. Wir tragen seinen Namen. Wir sind Christen und er sehnt sich danach, dass wir diesem Namen entsprechen. Amen.