Was Hoffnung macht: Zuhören üben und die Nähe des Herrn

Ansprache am Silvesterabend 2024

Über die Hoffnung und Synodalität – darüber sprach Bischof Stefan Oster in seiner Ansprache am Silvesterabend 2024. Die gesamte Ansprache finden Sie hier zum Nachhören, Downloaden, Nachlesen und als Video.

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Liebe Schwestern und Brüder,

vor zwei Tagen haben wir in unserem Bistum das Heilige Jahr 2025 eröffnet. Papst Franziskus hat es unter das Leitwort „Pilger der Hoffnung“ gestellt. Was für ein schönes Wort für uns Christen und was für ein schöner Auftrag, in dieser Welt Pilger der Hoffnung zu sein.

Hoffnung in unsicheren Zeiten?

Das Wort lässt uns freilich auch nachdenken, wer oder was die Hoffnung für uns sein kann in einer Zeit, die viele Menschen unruhig macht und ängstigt, in einer Zeit, die als krisenhafter wahrgenommen wird als jene Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg bis vielleicht vor wenigen Jahren. Aber dann kam Corona, dann kam der Ukraine-Krieg, dann spüren wir schon länger, wie sich die Klimakrise verstärkt und wie die weltweiten Migrationsbewegungen auch unser Land und unser Europa längst vor große Herausforderungen stellen. Der furchtbare Anschlag von Magdeburg vergrößert die Unsicherheit unter den Menschen. Und dazu ist unsere letzte Regierung kürzlich auseinandergebrochen und in den Vereinigten Staaten von Amerika steht eine neue Regierung an, die viele fragen lässt, was das für die geopolitische Ordnung bedeutet und für die Verlässlichkeit der US-Regierung in Europa.

Der bundesdeutsche Verteidigungsminister und andere Experten machen fortwährend deutlich, dass wir uns wieder kriegstüchtig machen müssen, weil sich jetzt schon Szenarien der Bedrohung für unser Land abzeichnen. Unsere Gesellschaft scheint polarisiert über wichtige Themen. Und die christlichen Kirchen als wichtige Werte- und Glaubensvermittler sind selbst in der Krise durch Skandale und fortwährenden dramatischen Mitgliederverlust. Sie zeigen in sich wenig Einheit und scheinen allzu sehr mit sich selbst beschäftigt. Wer oder was macht in diesen Zeiten Hoffnung? In Zeiten, in denen sich politische Lagerbildungen verschärfen und mit ihnen die Fähigkeit verlorenzugehen scheint, in einen echten Diskurs zu finden, der auch dem politischen Gegner noch zutraut, Gutes für das Land und seine Menschen zu wollen – oder gar den eigenen Standpunkt zu befruchten oder manchen eigenen blinden Fleck aufzuhellen.

Polarisierende Medienwelt

Mir scheint auch, liebe Schwestern und Brüder, dass besonders die Entwicklung unserer Medienwelt einen erheblichen Beitrag dazu leistet, dass das Ringen um das bessere Argument, die sachliche und vertiefte Auseinandersetzung, ja sogar so etwas wie die Suche selbst nach der Wahrheit, immer mehr ins Hintertreffen geraten. In einer Zeit, in der vor allem die schnellsten, die am stärksten emotionalisierten oder polarisierenden Nachrichten die Aussicht auf die meisten Klicks oder Likes haben, treiben die Rechenmaschinen der großen Plattformen ihre Nutzer immer mehr in diese Richtung.

Und viele, vor allem einflussreiche und skrupellose Player in der politischen Welt, schrecken dabei auch vor Falschnachrichten nicht zurück – einfach, um gute Klickzahlen zu bekommen, oder auch, um bewusst die Gesellschaft zu verunsichern. Gute, differenzierte Argumente sind aus deren Sicht wenig hilfreich. Sie erfordern ja außerdem Konzentration, Aufmerksamkeit und ein gediegenes Abwägen und Überlegen der Nutzer. Also alles das, was dem schnellen, emotionalisierten „Infohappen“ abträglich ist. Dazu macht die Anonymität im Netz es möglich, dass der Mensch seine schlechtesten Seiten gegenüber anderen zum Vorschein bringen darf, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen. Eine der Folgen solcher Phänomene ist dann die Blasenbildung. Menschen finden sich in Gruppen, in denen fortwährend die eigene Meinung bestätigt und zementiert und im schlechtesten Fall radikalisiert wird.

All das unterläuft aber echte Debattenkultur, die für eine Demokratie so wichtig ist und in der gerade Medien eine zentrale Rolle spielen. Stattdessen erleben wir, dass wichtige, klassische Qualitätsmedien deutlich rückläufig sind – und dass zugleich eine Plattform wie TikTok von politisch Radikalen viel besser beherrscht wird als von Parteien der Mitte oder gar von der Kirche. Die Gruppenegoismen und die Abgrenzungen nehmen zu und das Verständnis füreinander nimmt ab.

Was macht da Hoffnung?

Was macht da Hoffnung? Zumindest im Internet scheinen etwa qualitätsvolle Podcasts zu wachsen, also Dialoge, Gespräche über Themen, die auch über einen längeren Zeitraum intensiv von mehreren Seiten beleuchtet werden. Und es gibt auch anderes: Seiten und Kanäle, die den Namen Journalismus wirklich verdienen. Auch Kirchenseiten, die den Glauben gut gemacht und authentisch verkünden. Und anderes mehr. Das sind zumindest medial vereinzelt Zeichen der Besinnung und der Hoffnung. Immerhin.

Synodalität – Hoffnung für die Kirche und darüber hinaus

An dieser Stelle, liebe Schwestern und Brüder, möchte ich über Synodalität sprechen, ein Wort, das für mich mit Hoffnung für unsere Kirche verbunden ist und das uns einen gemeinsamen Weg weist. Ich durfte in diesem und im letzten Jahr jeweils im Oktober an der Weltbischofssynode teilnehmen, zu der Papst Franziskus eingeladen hatte. Er hat die ganze katholische Kirche ja schon im Jahr 2021 auf diese Reise geschickt, die Kirche sollte neu und tiefer verstehen, wie sie auf ihrem Weg durch die Zeit unterwegs ist und wie sie unterwegs sein kann und soll. Das Wort Synode kommt aus dem Griechischen, und bedeutet eigentlich nur „gemeinsam auf dem Weg“.

Aber wie geht das, in einer polarisierten Welt und in einer polarisierten Kirche, gemeinsam auf dem Weg zu sein? Der Anfang von Synodalität ist das Hören, das Zuhören zu üben und zu lernen. Hören auf Gottes Wort, auf den Geist Gottes und aufeinander. Die längste Zeit der beiden Oktobermonate haben einige hundert Bischöfe und rund 80 weitere Männer und Frauen aus aller Welt das Hören geübt. Wir waren zumeist in Tischgruppen von zehn, zwölf Leuten beisammen und haben über Fragen der Synodalität, des gemeinsamen Weges nachgedacht. Fragen wie: Wie können wir Teilhabe von möglichst vielen Menschen am Weg der Kirche ermöglichen?

Oder: Wie werden wir eine Gemeinschaft, in der das Evangelium wirklich im Mittelpunkt steht? Oder wie gelingt es uns am besten zu wachsen als Jüngerinnen und Jünger Jesu, die leidenschaftlich das Evangelium leben und andere dazu einladen? Unsere Arbeitsmethode in diesen Gruppen hieß „Gespräch im Hl. Geist“. Das bedeutete: Bevor das Gespräch begann, haben wir einen Moment der Stille gehalten und des Gebets. Manchmal stand auch ein Text der Schrift zur Betrachtung an diesem Anfang. Dann konnte jeder reihum maximal drei Minuten zu den anderen sprechen. Nach einigen Wortmeldungen dieser Art wurde wieder einige Zeit Stille gehalten, Reflexion, Gebet. Dann ging es weiter – bis wir einmal rum waren.

Vom Ich zum Wir

Die nächste Stufe war dann: vom Ich zum Wir. Jeder war jetzt eingeladen zu sagen, was er von den anderen gehört hatte, was in ihm Resonanz erzeugt hat, was ihn angeregt oder was Widerspruch ausgelöst hat. Auch wieder jeder drei Minuten mit Unterbrechung für Stille. Und erst in einer dritten Runde kamen wir dann in ein Gespräch darüber: Wo sind wir uns einig, wo gibt es Unterschiede, wie kommen wir zu einem Gemeinsamen? Aus diesen Beiträgen haben dann die Gruppenteilnehmer wieder einen dreiminütigen gemeinsamen Text produziert, der dann in das ausgeweitete Gespräch im Plenum eingebracht wurde. Von dort kam er nochmal zurück und wurde angereichert mit dem, was auch noch einmal aus dem Plenumsgespräch von anderen gehört worden war.

So wurde der Text der jeweiligen Kleingruppe dann schließlich in das Redaktionsteam für das Abschlussdokument der Synode gegeben. Und so ist schließlich nach und nach ein Abschlusstext entstanden, dem in den allermeisten Punkten auch die allermeisten Synodenteilnehmer zustimmen konnten. Papst Franziskus, der bei sehr vielen Sitzungen selbst dabei war, hat diesen Text dann angenommen und zum Teil seiner lehramtlichen Verkündigung erklärt. Er findet sich zum Nachlesen auf der Webseite der Deutschen Bischofskonferenz.

Synodalität: „modus vivendi et operandi“ der Kirche

Das große Anliegen des Heiligen Vaters war und ist: Wie kann unsere Kirche in dieser zerrissenen Welt im gemeinsamen Gehen ein glaubwürdiges Zeugnis des Evangeliums sein? Sie hören vielleicht schon heraus, liebe Schwestern und Brüder, dass das die Synode kein politischer Prozess war und ist, sondern vor allem ein geistlicher. Im Vertrauen auf die Gegenwart von Gottes Geist suchen wir auch von verschiedenen Positionen herkommend das Gemeinsame. Der andere Kirchenmensch, der anders denkt als ich, ist dabei weder ein Feind noch ein Kirchenzerstörer, sondern zuerst eine Schwester, ein Bruder mit auf dem Weg.

Polarisierungen sollen dabei nicht befördert, nicht forciert, sondern im besten Fall überwunden werden – um des gemeinsamen Zieles willen, das Evangelium zu leben und zu verkünden. Interessant war dabei, dass Papst Franziskus untersagt hat, dass während der Gespräche Medienvertreter anwesend sind. Jeder sollte in allem Freimut sprechen können, ohne darauf aus zu sein, sich durchzusetzen, ohne auf Mehrheiten zu spekulieren, ohne öffentlich möglichst gut dastehen zu wollen und so fort.

Der geschützte Raum, wie der Papst es nannte, sollte den Freimut des Sprechens und Hörens ermöglichen, damit der Geist Gottes auch tatsächlich wirken kann. Und tatsächlich meine ich, ist Vieles davon auch gelungen. Im Abschlussdokument steht nun beispielsweise, dass Synodalität der „modus vivendi et operandi“ der Kirche sei. Also die Weise, wie wir am besten miteinander als Kirche unterwegs sein und wirken sollen – im Hören auf Gottes Geist und aufeinander. Wenn wir das in vielen unserer Strukturen, Gremien und Arbeitsweisen immer wieder hinbekommen, vor allem dort, wo es kontrovers wird, dann macht mir das wirklich Hoffnung für unsere Kirche. Und noch besser wäre es, solch ein neues Lernen des Hörens könnte auch auf Gesellschaft und Politik ausstrahlen.

Synodalität im konkreten Streit: Zuhören üben

Ich möchte Ihnen daher für das neue Jahr eine kleine Übung empfehlen. Viele von Ihnen werden Situationen erleben, in denen auch gestritten wird. Zum Beispiel über Politik, oder über die Frage, wie die unterschiedlichen Interessen in Ihrer Familie am besten unter einen Hut zu bekommen sind, oder anderes mehr. Wenn möglich versuchen Sie dann doch einmal folgendes: Erstens, unterstellen Sie ihrem Gesprächspartner, mit dem Sie streiten, dass er oder sie auch etwas Gutes im Sinn hat und nicht einfach nur zum Beispiel ein rücksichtsloser Egoist ist. Zweitens: Bitten Sie ihn, seinen Standpunkt zu erklären und versuchen Sie dann selbst so gut zuzuhören, dass Sie seine Sicht einnehmen können und diesen Standpunkt noch einmal mit Ihren eigenen Worten sagen. Dann kann der Gesprächspartner auch beurteilen, ob Sie ihn tatsächlich verstanden haben oder tatsächlich verstehen wollten.

Und umgekehrt: Laden Sie den Gesprächspartner ein, Ihre eigene Position mit seinen Worten nochmal darzustellen. Dann können Sie selbst beurteilen, ob er wirklich den Willen hat, zu verstehen. Und dann wäre es auch noch gut, Sie würden so ein kontroverses Gespräch entweder mit einem stillen, inneren Gebet zum Hl. Geist beginnen oder Sie schieben solch ein Gebet zwischendrin ein, wenn es zu emotional wird. Ich wage zu hoffen, dass Sie auf diese Weise schwierige Situationen oftmals anders auflösen können als zum Beispiel im Zorn oder in gegenseitiger Sprachlosigkeit. Wenn wir also auch im Streit immer noch gut miteinander umgehen lernen, sind wir Pilger der Hoffnung.

Die christliche Hoffnung reicht tiefer – das Beispiel des hl. Paulus

Liebe Schwestern und Brüder, die christliche Hoffnung, für die wir alle Pilgerinnen und Pilger sein können, reicht aber noch viel, viel weiter: Ich möchte sie Ihnen mit einem Beispiel aus dem Leben des hl. Paulus vor Augen führen. Wir haben die Lesung aus dem Brief an die Philipper gehört: Darin mahnt uns Paulus: „Freut euch zu jeder Zeit… Der Herr ist nahe. Sorgt euch um nichts und bringt in jeder Lage betend und flehend eure Bitten mit Dank vor Gott. Und der Friede Gottes, der alles Verstehen übersteigt, wird eure Herzen und eure Gedanken in Christus Jesus bewahren“.

Diese Zeilen schreibt Paulus in einer Situation, die für ihn wahrscheinlich überaus bedrohlich war. Er ist in Gefangenschaft, sagt er selbst zu Beginn des Briefes. Und mit einiger Wahrscheinlichkeit ist er dabei in Rom. Laut der Apostelgeschichte hatte er zuvor an den Kaiser appelliert. Er war zwar ein Gefangener, hatte aber ein römisches Bürgerrecht. Daher konnte er auf diesem Recht eines Appells bestehen.

„Freut euch zu jeder Zeit“

Und die Apostelgeschichte erzählt nun ganz zum Schluss, dass Paulus als Gefangener in einer Wohnung in Rom leben und auch Menschen empfangen konnte. Sie erzählt aber auch, dass er dabei fortwährend von einem Soldaten bewacht wurde. Möglicherweise war er auch mit einer Fußfessel an seinen Bewacher angekettet. Paulus wartete also in dieser Weise darauf, dem Kaiser und seinem Urteil zu begegnen, an den er appelliert hatte.

Wir wissen nicht, wie diese Begegnung verlaufen ist. Wir wissen aber, dass der Kaiser zu jener Zeit Nero hieß, der aus der Perspektive der Christen so ziemlich der Schlimmste von allen war; unter anderem deshalb, weil er den Christen die Schuld für den Brand Roms in die Schuhe geschoben hatte und danach viele verhaften, foltern und töten ließ. So ist es wohl auch mit Paulus passiert:  Die Überlieferung der Kirche erzählt, dass Paulus schließlich in Rom das Martyrium erlitten hat. Ihm wurde der Kopf abgeschlagen.

Vertrauen lernen, das Christus in uns und unter uns schon da ist.

Es ist also wahrscheinlich diese Situation der tödlichen Bedrohung in einer Gefangenschaft, in der Paulus zur Freude aufruft. Immer wieder. „Noch einmal sage ich: Freut euch“. Und weiter: „Sorgt euch um nichts. Bringt vielmehr in jeder Lage betend und flehend eure Bitten mit Dank vor Gott“. In jeder Lage, sagt er, mit Freude, mit Flehen, mit Dank. Und ja, gerne auch Bitten. Warum kann Paulus das sagen? Seine Begründung ist „Der Herr ist nahe.“ Liebe Schwestern und Brüder, im Grunde zielt alle unsere Verkündigung, alles Bemühen der Kirche im Kern darauf hin: Dass wir Vertrauen lernen, das Christus in uns und unter uns schon da ist.

Das Sich-überlassen an Seine Gegenwart, das Lernen, dass Er der Herr ist und in uns sein will. Dass wir uns hineinnehmen lassen in das, was das Evangelium die Nachfolge nennt. Das Gehen-lernen in unserer Kirche und in dieser Welt in der Haltung, dass diese Beziehung zu Ihm die eigentlich tragende unseres Lebens ist. Der Glaube, von dem hier erzählt wird, ist nicht einfach ein Set von moralischen Vorschriften, die ich beachten muss. Er ist auch nicht einfach ein Welt- und Gottesbild, das ich von anderen übernommen habe, das dann auch noch all meinen anderen Erfahrungen quasi drüber gestülpt wird.

Nichts kann uns scheiden von der Liebe Gottes

Es ist vielmehr ein Vertrauen, das mich befähigt, Gott und die Welt, die anderen Menschen und mich selbst, von innen her neu zu verstehen. Und zwar sogar mit so etwas wie der Gewissheit: „Ich bin geliebt, ich bin getragen, ich bin angenommen. Ich weiß, wohin es nach Hause geht, weil dieses ,nach Hause‘ in mir schon begonnen hat.“ Vielleicht verstehen Sie jetzt auch, liebe Schwestern und Brüder, warum Paulus dann auch noch sagen kann: „Und der Friede Gottes, der alles Verstehen übersteigt, wird eure Herzen und Gedanken in Christus Jesus bewahren.“

Wovon Paulus da in seiner Gefangenschaft berichtet, ist: Er ist im Frieden, er ist mit Christus. Im Brief an die Römer hatte er schon gesagt: „Denn ich bin gewiss: Weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Gewalten der Höhe oder Tiefe noch irgendeine andere Kreatur können uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn.“

Der Herr ist nahe

Das, liebe Geschwister im Glauben, das ist unsere eigentliche Hoffnung als Christen. Der Herr ist nahe. Wenn das stimmt, dann relativieren sich angesichts dieser Hoffnung so viele Nöte, so viel Unheil in der Welt. Der Herr ist nahe – und er ist stärker als Leid und Tod und Teufel. Das neue Leben, das von Ihm kommt, hat schon angefangen – und auf dieses Leben in Fülle gehen wir zu.

Und das, was Paulus uns aus dem Gefängnis in tödlicher Bedrohung schreibt, wird seit 2000 Jahren bezeugt von Männern und Frauen des Glaubens. Auch in unserer jüngeren Vergangenheit bis heute. Denken Sie an Edith Stein und Dietrich Bonhoeffer, an Sophie Scholl und Pater Maximilian Kolbe in den Schrecken der Nazizeit und der Konzentrationslager. Oder denken Sie an die vielen, vielen Menschen, die voller Hoffnung und Gottvertrauen nach dem Krieg unser Land wieder aufgebaut haben.

Denken Sie an die vielen gläubigen Menschen heute in der Ukraine, die standhalten und die Hoffnung nicht verlieren. Oder denken Sie an die vielen Menschen, die auch nach Katastrophen oder Anschlägen wie in Magdeburg einfach da sind, einfach helfen, einfach um den Frieden beten. Einfach den Frieden und Trost in ihrem eigenen Herzen zu den anderen tragen. Oder denken wir auch an die vielen, die vor ein tragisches Schicksal gestellt sind oder eine liebe Person verloren haben – und trotzdem die Hoffnung und den Glauben nicht verlieren; sondern oft auch gerade in der Not noch im Gottvertrauen wachsen. Und damit Hoffnungsmenschen sind für andere.

Der Herr ist nahe. Und deshalb lade ich Sie ein, mit dem Heiligen Vater in diesem kommenden Jahr auch eine Pilgerin, ein Pilger der Hoffnung zu sein. Wir sind unterwegs in dieser Welt, in der wir keine letzte Heimat haben. Aber wir gehen miteinander, im Frieden, im Zuhören, im Trösten, im Zeugnis der Gottes- und Nächstenliebe. Wir gehen auf ein Leben zu, das nicht mehr aufhört, und wir stehen schon jetzt in einer Liebe, die nicht aufhört, „Ja“ zu uns zu sagen. In allem und trotz allem. Welch ein Trost, was für ein Grund zur Freude und zum Dank. In allem und trotz allem.

Ihnen und Ihren Lieben von Herzen ein frohes, friedvolles und gesegnetes Neues Jahr.


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