Liebe Schwestern und Brüder im Glauben,
wenn eine Frau und ein Mann sich als Paar entschließen, ein Kind bekommen zu wollen, dann ist das ein Zeichen der Hoffnung. Und wenn das Kind dann zur Welt kommt, erst recht. Ja, natürlich, ein Neugeborenes ist eine Aufgabe, oftmals eine große, auch eine schwere Aufgabe; ein Kind ist auch Verpflichtung und Verantwortung. Aber es ist zugleich eine Riesenfreude, eine Verheißung, ein junges Glück. Das Leben der Eltern hat mit ihrem Kind eine wichtige, gemeinsame Ausrichtung bekommen, es hat ihr Leben vertieft. Ein Kind kann so viel Hoffnung schenken.
Ein Kind als Hoffnungszeichen
Es ist deshalb kein Zufall, dass Papst Franziskus das Heilige Jahr 2025 bereits am Heiligen Abend vergangene Woche in Rom eröffnet hat. Und er hat angeordnet, dass es in den Diözesen der Welt am heutigen Tag, am Fest der Heiligen Familie beginnen soll. Wir feiern in diesen Tagen die Geburt eines Kindes, das das Hoffnungszeichen schlechthin ist – für die ganze Welt und für die ganze Schöpfung. Deshalb hat der Papst diesem Heiligen Jahr auch das Leitwort „Pilger der Hoffnung“ gegeben.
Hoffnungsmenschen sind notwendig
Wir alle spüren, dass es so nötig ist, gerade heute, der Welt und den Menschen neue Hoffnung zu schenken. Wir leben in einer Zeit der Krisen und Kriege, die wir nicht selbst im Griff haben. Wir haben den Eindruck in einer Zeitenwende zu leben, in der vieles unsicher wird, was uns lange als selbstverständlich galt. Wir haben Wahlen in Amerika erlebt, die nicht wenige Menschen verunsichern und wir haben in unserem eigenen Land das Scheitern einer Regierung erlebt und stehen vor der Frage, wie es weitergeht. Wie nötig sind in solchen Zeiten Hoffnungsmenschen und Hoffnungszeichen!
Liebe Geschwister im Glauben, es ist ja so, dass im Grunde alle Menschen irgendwelche Hoffnung haben. Alle hoffen auf irgendetwas, das für sie gut ist; wir hoffen auf das, was hilfreich oder nützlich ist, was Vergnügen, Gewinn oder Anerkennung verspricht; wir hoffen auf das, was Ruhe und Erholung verschafft. Und mancher hofft auch, dass das Leiden weniger wird oder dass die Schmerzen nicht noch mehr werden. Viele hoffen auch, dass es schnell geht, wenn der Tod nahekommt. Und so sehr wir uns alle mit manchen dieser Hoffnungen identifizieren können, so merken wir doch, dass die meisten davon nicht gänzlich erfüllend sind. Solche Hoffnungen zielen meist auf Dinge, die selbst endlich sind, auf Ziele die vergehen – und die damit auch mit uns vergehen.
Eine Hoffnung, die bleibt
Vielleicht haben Sie schon mal die Erfahrung gemacht, dass sich Ihnen eine lange gehegte Hoffnung erfüllt hat – sich dann aber eine gewisse Leere in Ihnen einstellt? Verbunden mit der Frage: War es das jetzt wirklich? Jetzt hast Du so lange darauf gehofft, zum Beispiel den höheren Posten zu bekommen oder dir endlich das neue Auto leisten zu können – und jetzt, wo Du es hast? War es das jetzt wirklich? Ist das schöne Gefühl, endlich am Ziel zu sein, wirklich so kurzlebig, wie Du es grad empfindest? Ist es nicht am Ende doch enttäuschend?
Kennen Sie so ein Gefühl, dass es am Ende doch nicht genügt, sogar oft noch eine Spur Enttäuschung hinterlässt? Ich meine, das liegt daran, dass unser Menschenherz für eine Hoffnung gemacht ist, die größer und tiefer ist als alles andere. Eine junge Frau, die ich eine Zeit lang im Glauben begleiten durfte, und die manche Enttäuschung hinter sich hatte, hat mir einmal gesagt: „Es muss doch in diesem Leben mehr als alles geben!“ Und sie hat damit eigentlich ausgedrückt: Nichts in dieser Welt ist geeignet, die Sehnsucht des Menschenherzens ganz zu stillen.
Dem Grund der Hoffnung begegnen
Liebe Schwestern und Brüder: Glauben wir, dass wir Christen dieses „mehr als alles“ schon kennen? Dass unser Glauben uns die Berührung mit einer Ewigkeit schenkt, die schon da ist und auf die wir voller Hoffnung zugehen dürfen? Weil wir die Freude daran schon in uns haben? Können wir glauben, dass wir, dass Sie und ich, wirklich berufen sind, genau diese Hoffnungsmenschen zu sein? Menschen, die von der Liebe des Kindes in der Krippe berührt worden sind, ebenso wie von der Liebe des Mannes, der für Sie und mich gekreuzigt worden ist? Und durch dessen Auferstehung der Geist in unser Herz gekommen ist – und mit dem Geist eine Hoffnung, die nicht zugrunde geht?
Glauben wir, dass es wirklich mehr als alles gibt – und wir schon jetzt in „sicherer Hoffnung“ durch die Welt gehen können? Es gibt so viele Christinnen und Christen, die uns das bezeugt haben: Mitten in den Turbulenzen und Leidenszeiten der Welt haben Sie immer noch einen Frieden, eine Freude und eine Tiefe ausgestrahlt, die nicht nur von dieser Welt waren. Ich möchte Sie – zusammen mit dem Heiligen Vater – einladen, liebe Schwestern und Brüder, dem Grund der Hoffnung neu zu begegnen. Ich möchte Sie einladen, den Sohn Gottes in Ihrem Herzen zu umarmen, Ihr Herz von seiner Gegenwart erfüllen zu lassen.
Zeugen der Hoffnung
Lassen wir uns im Heiligen Jahr wieder neu von Gottes Liebe berühren und so ermutigen, selbst Zeuge und Zeugin zu sein – vor allem bei Menschen in Not oder Armut. Zeuge des Friedens, wo Unversöhnlichkeit herrscht; Zeuge gelebter Treue in der Ehe; ein Zeuge, der sich einsetzt für Menschen auf der Flucht oder für junge suchende Menschen; ein Zeuge, der für das ungeborene Leben eintritt und für die würdevolle Behandlung der Alten bis zu deren letztem Atemzug. Ein Zeuge, der mit seiner Barmherzigkeit bezeugt, dass Jesus bereit ist, jede Sünde zu vergeben, wie groß sie auch sein mag. Wenn Christus unser Herz berührt und erfüllt, dann will er durch uns, durch Sie und mich, auch die anderen berühren.
Anregungen für das Heilige Jahr
Liebe Schwestern und Brüder, seien wir Pilger der Hoffnung für unsere Welt. Christus ist diese lebendige Hoffnung in Person. Vor genau 1700 Jahren gab es das erste große ökumenische Konzil von Nizäa. Darin hat die Christenheit ihren Glauben formuliert, dass in Jesus wirklich Gott unter uns erschienen ist. Das Konzil hat gesagt, dass er „wesenseins“ mit dem Vater ist. Und das ist so zentral für unseren Glauben – und für unsere Hoffnung. Wir dürfen anderen in der Überzeugung begegnen, dass wir wirklich Gottes Gegenwart in uns aufnehmen, dass Er in uns lebt und dass wir durch Ihn mit dem Vater verbunden leben dürfen. Ich möchte Ihnen daher für dieses heilige Jahr einige wenige Anregungen geben:
- Beten wir bewusst – auch in unseren Gottesdiensten – immer wieder das so genannte große Glaubensbekenntnis, das auch auf Nizäa zurückgeht.
- Nehmen wir teil an einer Pilgerreise nach Rom – zum Beispiel mit den Bussen unseres Bistums im kommenden September – und durchschreiten wir in den Papstkirchen die Pforten der Barmherzigkeit.
- Jesus ist die vergebende Liebe Gottes in Person, daher: Entdecken wir das Geheimnis der Beichte neu – und auch den Ablass für dieses Jubiläumsjahr. Einzelheiten dazu – auch zu den Ablasskirchen im Bistum – finden Sie auf der Bistumshomepage. So wie übrigens viele weitere Anregungen für das Heilige Jahr.
- Und schließlich: Setzen wir bewusst Zeichen der Hoffnung, indem wir uns um Menschen in unserer Umgebung sorgen, die kaum noch Hoffnung haben.Liebe Schwestern und Brüder im Herrn, möge der Gott der Hoffnung Sie alle segnen. Jeder und jede Einzelne von uns ist beim Namen gerufen – und gerufen ein Pilger der Hoffnung zu sein. Seien wir es füreinander und besonders auch für die Menschen, die am Rand leben oder für solche, die sich schwer tun mit unserem Glauben. Unser Herr Jesus Christus, die Hoffnung der Welt, wird es Ihnen vielfach vergelten.Ein gesegnetes Neues Jahr wünscht IhnenDr. Stefan Oster SDB Bischof von Passau
Das Hirtenwort „Pilger der Hoffnung“ auch als Video zum Nachschauen:
Hier der Hirtenbrief „Pilger der Hoffnung“ als Audio:
Hören Sie auch das Hirtenbrief zur Fastenzeit 2024: Die erfüllte Zeit – auch für mich!