Bild: Pressestelle Bistum Passau

„Mein Mann, meine Frau“: Besitzansprüche?

„Mein Mann, meine Frau“: Was bedeutet ein solcher Besitzanspruch? Die Predigt von Bischof Stefan Oster zum Tag der Ehejubilare im Rahmen der Maria-Hilf-Woche 2016 im Passauer Stephansdom.

Liebe Männer und Frauen, die Sie heute als Ehejubilare hier sind und miteinander feiern, liebe Schwestern und Brüder im Glauben,
unser heiliger Vater, Papst Franziskus, ist ein sehr spontaner Typ, wie wir alle wissen. Und neulich hat er bei einem Kongress in Rom wieder einmal sehr spontan in einem Gespräch mit Theologen geäußert, dass die meisten Ehen, die heute sakramental geschlossen würden, wohl ungültig seien.

Mein Mann, meine Frau: Ungültig?!

Wie hat der Papst das gemeint? Nun, er sagte, wir alle und besonders die jungen Menschen lebten heute in einer Kultur der Vorläufigkeit. Und die jungen Leute,  wenn sie heiraten, seien zwar guten Willens und würden sich lebenslange Treue versprechen, aber sie wüssten nicht, was sie sagen, sie wüssten deshalb auch nicht, was ein Sakrament bedeute. Ihnen fehlte auch das Verständnis von Dauer und von Verpflichtung.

Aber wenn das so ist, wenn Versprechen ohne das Bewusstsein um die Konsequenzen gegeben würden, sei die große Mehrzahl der sakramentalen Ehen wohl ungültig, so der Papst. Inzwischen wird natürlich heftig darüber diskutiert unter Theologen, Kirchenrechtlern und anderen wie man mit so einer Aussage umgehen kann und soll.

Wir feiern heute langjährige Ehen

Aber warum ich das erwähne: Sie alle, die Sie heute hier sind, haben sicher auch schon die Erfahrung damit gemacht, dass der Papst mit seiner Diagnose von einer Kultur der Vorläufigkeit nicht so ganz verkehrt liegt. Und vielleicht fühlen sich manche von Ihnen inzwischen schon ein wenig als Exoten in dieser Kultur, als Paare, von denen viele hier 30, 40, 50, 60 und mehr Jahre verheiratet sind.

Die deshalb wissen, was Verpflichtung und Verantwortung bedeuten, die wissen, was es bedeutet durch gute und schlechte Zeiten zu gehen und dabei zusammen zu bleiben. Im vorigen Jahr habe ich bei diesem Fest, das wir hier heute begehen, ein Ehepaar mit goldener Hochzeit gefragt, wie es denn so war, die letzten 50 Jahre.

„Krieg und Frieden“

Da sagte der Mann recht lapidar: „Mei, Krieg und Frieden!“ Aber er hat es zufrieden gesagt, in Frieden und die Frau lächelte auch zufrieden. Sie wussten beide und wissen, dass es eine echte Leistung und Herausforderung ist, so viele Jahre gemeinsam zu verbringen. Und sie wissen dann aber auch, dass sie so schnell nichts mehr auseinander bringt, bis der Tod sie scheidet.

Die meisten von Ihnen haben sich ihre Partnerin, ihren Partner ausgesucht und sind nicht einfach – wie noch früher üblich – von den Eltern oder der Verwandtschaft bestimmt worden. Aber Aussuchen hin oder her, es ist ja so, dass kein Mensch einfach so bleibt, wie er ist, schon gar nicht, wie er als 20jähriger war. Und kürzlich habe ich ein anderes Ehepaar getroffen, auch bald 50 Jahre verheiratet, da sagt die Frau zu mir: „Ob ich meinen Mann wirklich kenne, weiß ich gar nicht. Jedenfalls überrascht er mich heute immer noch mit Seiten, die mir neu sind.“ Wie schön!

Die gemeinsame innere Blickrichtung

Schwestern und Brüder, mitten in einer Kultur der Vorläufigkeit sind Sie alle ein Zeichen dafür, dass wir Menschen zu mehr fähig sind als zu nur Vorläufigem. Und Sie wissen vermutlich auch, dass man in einer langen Ehe miteinander lernt, gemeinsam den Blick zu verändern auf das, was einem wichtig ist, was Sie als Paar auch zusammen bindet.

Am Anfang, vor allem dann, wenn die Heirat aus der wundervollen Erfahrung des Verliebtseins geschieht, dann ist man tief beglückt über den anderen Menschen, über die Beziehung. Man ist fasziniert voneinander. Ja, manchmal ist die innere Blickrichtung des einen Partners jeweils so an den anderen gebunden, dass man kaum noch Augen hat für irgendwas darüber hinaus. Man ist gewissermaßen ganz gebannt voneinander. Man ist oft so aufeinander bezogen, dass oft wenig dazwischen passt.

Mein, dein: Gemeinsame Ziele helfen

Aber ganz oft, vor allem wenn dann auch Kinder kommen, dann erweitert und vertieft sich dieser Blick auf das gemeinsame Ziel, die Liebe zu den Kindern und die Sorge um die Kinder. Das hilft den Eheleuten, gewissermaßen nicht mehr nur aufeinander fixiert zu sein, sondern in die gleiche Richtung zu blicken. Wobei das natürlich auch geübt, gelernt und gefunden und nicht selten auch erkämpft werden muss, und nicht einfach selbstverständlich schon da ist.

Gemeinsame Ziele helfen, miteinander und füreinander in dieselbe Richtung zu schauen. Und auch das Folgende wissen die meisten viel besser als ich: Spätestens wenn die Kinder aus dem Haus sind, sind Sie wieder vor die Aufgabe gestellt, sich neu zu sortieren, neu zu finden, gemeinsam weiter zu gehen, nicht sprachlos zu werden füreinander, das Herz füreinander offen zu halten, für den Partner und für andere. Und es ist wichtig dabei immer neu das rechte Maß zu finden für das Verhältnis von Freiheit und Bindung.

Was heißt „mein“ Mann, „meine“ Frau?

Eine der spannendsten Fragen ist für mich in diesem Zusammenhang die nach dem Possessivpronomen in der Ehe. Possessivpronomen sind zum Beispiel die Wörtchen mein und dein. Was genau legen Sie in dieses Wörtchen hinein, wenn Sie sagen „mein“ Mann, „meine“ Frau? Welche Art der Zugehörigkeit oder der Besitzverhältnisse wird hier gesagt? Und wie unterscheidet sich ein solches „mein“ zum Beispiel von mein Auto, mein Haus, mein Beruf?

Wir alle ahnen, dass dort, wo ein solches „mein“ gefüllt wird mit einer Art vollem Besitzanspruch, dass das oft genau das Ende von Ehe und Beziehung bedeuten kann und nicht den Anfang. Wo einer den Anderen besitzen will und ihm niemandem anderen gönnt, wird es schwierig. Eifersucht auf die Freunde, die Hobbies, die Vorlieben des Partners können eine Beziehung zerstören. Aber wenn ein solches „mein“ verkehrt ist, wie ist dann ein richtiges „mein“?

Der Andere als Gabe aus den Händen des allergrößten Gebers

Als Christen glauben wir, dass wir in das rechte Verständnis von „mein“ durch unsere Beziehung zu unserem Gott finden. Denken Sie an ein kostbares Geschenk, das Sie bekommen. Wenn es von jemandem kommt, den Sie mögen, dann halten Sie das Geschenk in Ehren, dann gehen Sie achtsam damit um, dann bekommt es eine Art Ehrenplatz in Ihrer Wohnung.

Und wenn wir das nun übertragen auf die Ehe, dann finden wir die Spur zum rechten Verständnis von „mein“ Mann, „meine“ Frau. Sie sind sich einander als Gabe gegeben. Und zwar vom größten Geber, den es gibt. Ihre Frau, Ihr Mann ist Ihnen von Gott so an die Seite gestellt, dass jeder von Ihnen gelernt hat und immer neu lernen muss, damit angemessen umzugehen.

„Mein“? Einen Menschen besitzt man nie

Einen Menschen besitzt man nie wie einen Gegenstand, einen Menschen achtet man und man kann sich aus Freiheit aneinander binden und lernt, sich aufeinander zu verlassen. Und natürlich, Ihr Partner ist kein Idealmensch, so wie Sie selbst auch keiner sind. Im Laufe der Zeit darf man, muss man lernen, dass man den Partner nicht zu einem Ersatz für Gott machen darf, von dem man alle Erfüllung des eigenen Glücks erwartet.

Es ist eher so, dass man lernen muss, dem anderen zu verzeihen, dass er genau das nicht ist. Oder eher auch sich selbst zu verzeihen oder um Vergebung zu bitten, dass ich so besitzergreifend war, oder den Partner mit soviel Erwartung überladen habe. Nein, der andere, Ihr Partner, ist eine Gabe Gottes an Sie.

Gott schenkt herausfordernd

Und wenn Gott gibt, dann gibt er oft auch sehr herausfordernd. Er gibt nicht einfach nur so, wie man einem Kind ein Bonbon schenkt, sondern er gibt so, dass wir durch einander wachsen können. Wir können miteinander lernen, den anderen von Gott her immer neu zu empfangen, dankbar, oft froh, oft herausfordernd. Einfach weil der Partner oft gerade nicht so ist, wie man ihn gerne hätte. Und man lernt dann trotzdem ja zu sagen und zu bleiben – mit der Hilfe Gottes. Das macht reif und tief und geerdet.

Liebe Eheleute, wenn Sie heute hier sind, haben Sie miteinander und durch einander vieles lernen dürfen. Ich wünsche Ihnen sehr, dass Sie auch immer mehr in das hinein finden, was Paulus in der 2. Lesung zu uns gesagt hat: dass wir einander nicht beißen und verschlingen, sondern lernen, den anderen zu lieben wie uns selbst.

Wir lernen es, wenn wir im Geist leben, wenn wir in diesem Geist miteinander auf Gott schauen, wenn im Laufe unseres Lebens die gemeinsame Blickrichtung immer mehr Gott selbst wird. Ich wünsche Ihnen sehr, dass Sie auch an der Seite der Mutter Gottes gehen können, deren Hilfe wir in dieser Woche besonders erflehen. Sie ist ja diejenige, die auf ganz einzigartige Weise mit ihrem Mann Josef zusammen, Gott in ihrer Mitte wusste, und die beide zutiefst aus dieser Mitte und für sie, für Jesus, gelebt haben.

„Unser“: Miteinander beten lernen

Eine Hilfe dazu ist zum Beispiel, dass wir wirklich auch üben, miteinander zu beten. Sicher tun das einige von Ihnen. Aber ich meine ehrlich gesagt nicht, dass Sie wie heute gemeinsam den Gottesdienst besuchen. Das ist natürlich auch richtig und wunderbar. Ich meine aber eher, dass man sich auch einmal bewusst zu zweit Zeit nimmt vor Gott.

Gemeinsam auf das Kreuz schaut, beispielsweise. Gemeinsam ein Vater Unser betet, gemeinsam vor Gott schweigt, in die Stille findet und vielleicht auch gemeinsam in freier Form seine Anliegen, seinen Dank, seine Bitten vor Ihn hinbringt, auch füreinander, oder für die gemeinsamen Kinder, Freunde, Angehörige oder in allen Anliegen, die Sie so haben. Das ist für viele vielleicht auch gar keine leichte Übung, es ist ja etwas Intimes. Und man braucht ein wenig Übung, so einfach vor Gott zu sein.

Mein Leben mit Gott ist wichtig

Aber es ist sehr schön, dies als Paar auch miteinander zu tun. Und ich bin sicher, so etwas vertieft Ihre Beziehung und macht sie innerlich reicher und schöner. Denn so wichtig Ihr Ehepartner auch für Sie ist. Gott ist Gott und schon deshalb ist er der Wichtigste in unserem Leben. Das heutige Evangelium macht dies sehr deutlich: Jesus ruft in seine Nachfolge mit einer gewissen Kompromisslosigkeit. „Lass die Toten ihre Toten begraben, sagt er zum Beispiel, und folge mir nach.“

Das Evangelium sagt: Wenn Jesus wirklich der Gott für uns und mit uns ist, dann will er der Wichtigste auch in unserem Herzen werden. Dann will er der Grund sein, aus dem wir eigentlich leben. Und wenn Sie als Ehepartner gemeinsam lernen, diesen tragenden Grund für sich zu finden, dann findet Ihre Ehe auch ganz bewusst in die Tiefe, aus der sie als Sakrament lebt und geschlossen wurde. Mutter Teresa hat jedenfalls immer gesagt: Eheleute, die miteinander beten, die bleiben zusammen.

Zeugnis gelebter Treue

Liebe Eheleute, ich danke Ihnen von Herzen, dass Sie heute hier sind und uns allen ein Zeugnis gelebter Treue schenken. Ich danke Ihnen für allen Dienst aneinander und für unsere Kirche und unsere Gesellschaft. Sie sind das Gegenzeichen zu dem, was Papst Franziskus als eine Kultur der Vorläufigkeit bezeichnet.

Sie sind ein Zeichen dafür, dass die Ehe ein Lebensweg ist, der sich lohnt gemeinsam gegangen zu werden. Gottes reichen Segen wünsche ich Ihnen allen. Mögen noch viele gemeinsame Jahre vor Ihnen liegen. Amen.