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Was heißt „Innenrenovierung“ einer Kirche?

Was heißt „Innenrenovierung“ einer Kirche? Die Predigt von Bischof Stefan Oster zur Wiedereröffnung der Kirche St. Simon und Judas Thaddäus in Moos/Isarhofen nach Renovierung 2016.

Liebe Schwestern und Brüder,
in der Vorbereitung auf den heutigen Tag habe ich unser gutes Bistumsblatt gelesen. Und da gab es einen sehr schönen, längeren Bericht über Ihre wundervolle Kirche, die den Aposteln Simon und Judas Thaddäus geweiht ist. Fünf Vierteljahre lang war sie Baustelle für die Renovierung, für die Runderneuerung.

Und außer dem interessanten und sprechenden Detail, dass nun auch ein Schaf und ein Dompfaff in der Malerei der Kirche zu finden sind, habe ich auch noch gelesen, dass nun einige Engel wieder aufgetaucht sind. Und dass Sie jetzt eine neue Beichtkammer bekommen, die noch nicht ganz fertig, aber bald da ist. Das hat mich natürlich beides sehr interessiert – vor allem im Blick auf das heutige Fest, auf die heutigen Schrifttexte und Ihre Pfarrgemeinde hier in Isarhofen.

„Innenrenovierung“: Der Geist in Gemeinschaften

Zunächst einmal möchte ich Ihnen von einer Erfahrung berichten, die ich sehr regelmäßig beobachten kann. Wenn man viel in Gruppen, Versammlungen, Gemeinschaften ist, auch in Gottesdienstgemeinschaften, dann wächst einem nach und nach ein Gespür dafür zu, was für ein Geist in so einer Gemeinschaft herrscht.

Im Grunde kennen das alle, weil wir alle auch mit Gemeinschaften von Menschen zu tun haben. Aber zum Beispiel Lehrer wissen oft noch deutlicher, was ich meine: Sie haben verschiedene Klassen und obwohl sie nun schon viele Jahre unterrichten, ist es doch so, dass die eine Klasse so einen bestimmten Geist hat, eine andere einen anderen.

Der Gemeinschaftsgeist macht etwas

Es fühlt sich immer wieder unterschiedlich an. Manche Klasse ist ein unruhiger Hühnerhaufen und man ist immer nur am Disziplinieren, anderswo sind sie einfach brav oder auch teilnahmslos, anderswo spürt man echten Zusammenhalt unter den Schülern und so weiter. Und das Eigenartige ist manchmal, wie so ein Gruppengeist einen einzelnen Menschen mitnimmt und einnimmt.

Mancher Superheld einer Klasse ist im Einzelgespräch ein schüchterner Junge, mancher Rotzlöffel ist ein richtig lieber Kerl. Der Geist der Gemeinschaft macht etwas mit einem Einzelnen. Und umgekehrt: Mancher Einzelne prägt selbst den Geist der Gemeinschaft stark. Für Lehrer ist es deshalb oft wichtig, herauszufinden, wer das ist in der Klasse, wer den Ton angibt – und zu dem dann auch einen Zugang zu finden.

Der Heilige Geist

Aber so etwas wie den Geist der Gemeinschaft gibt es nun auch für Pfarreien, für Gottesdienstgemeinschaften. Ich komme zum Beispiel viel bei Firmungen herum, und jedes Mal fühlt es sich anders an, in so einer Feier, im Gegenüber zu den Menschen, obgleich ich nun doch schon sehr viele Firmungen feiern durfte und alle ähnlich ablaufen.

Was nun aber eine Pfarrei oder eine Gottesdienstgemeinschaft noch einmal von einer Schulklasse oder einem Sportverein unterscheidet, ist dass es ausdrücklich einen Bezug gibt nicht nur zu einem Gemeinschaftsgeist, den es überall gibt, sondern zum Heiligen Geist, zum Geist Jesu, der die Kirche bewegt und belebt und als Gemeinschaft eint. Und manchmal kann ich dann wahrnehmen, ob eine Pfarrei tiefer, sensibler in dieser Wirklichkeit drin steht und offener ist für sie oder weniger offen. Aber um das auch gleich ein wenig zu relativieren: Erstens kann ich mich täuschen in dieser Wahrnehmung und zweitens nimmt einer allein nie das Ganze wahr.

„Innenrenovierung“ weiter gedacht

Aber ich spreche darüber, weil ich mit Ihnen über zwei Aspekte nachdenken will, die mit der Erneuerung Ihrer Kirche zu tun haben. Einmal sind da die neuen Bilder von den Engeln, die vorher noch gar nicht zu sehen waren, die neu freigelegt wurden. Und da ist die neue Beichtkammer. Ich möchte das beides einmal nehmen als ein Bild für die Wirklichkeit des Geistes, die über unser bloß natürliches Empfinden hinausgeht: Ich fände es nämlich wunderschön und eine echte Herausforderung, wenn mit der Innenrenovierung Ihrer Kirche auch eine Art innere Erneuerung der Gemeinde einherginge.

Und diese ginge einher mit einem Gang in die Tiefe, mit der Entdeckung der tieferen Welt des Glaubens, des Heiligen Geistes. Die wieder aufgetauchten Engel könnten stehen für eine erneuerte Sehnsucht nach der Gegenwart Gottes in Ihrem Leben, sie können dafür stehen, dass sich wieder Sehnsucht breit macht, nach lebendigem Gebet, einzeln und in Gemeinschaft.

Herr, lehre uns beten!

Ich freue mich sehr, dass dieses Evangelium, in dem die Jünger den Herrn bitten, „Herr, lehre uns beten“, ausgerechnet heute von der Liturgie der ganzen Kirche vorgeschlagen wird. Wissen Sie, die Jünger waren damals schon Gläubige und Betende, vermutlich durchschnittlich wie Du und ich. Sie waren ja gläubige Juden, die in der Synagoge beim Beten waren und nach Jerusalem zum Tempel gezogen sind, um zu opfern um Gott zu loben und so fort.

Vermutlich kannten Sie auch die Bibel ganz gut, die Psalmen zum Beispiel. Also, fromme Leute. Und dennoch stellen sie Jesus diese Frage, die einzige Frage, in der sie ihn ausdrücklich bitten, sie etwas zu lehren. Diese Frage zielt nicht auf die neue Glaubenslehre von ihm, sie zielt auch nicht auf die Fähigkeit Wunder zu tun, Kranke zu heilen, Dämonen auszutreiben. Die einzige Bitte, bei der sie ihn ausdrücklich als Lehrer ansprechen, heißt: Lehre uns beten. Und das, obwohl sie schon Beter sind.

„Innenrenovierung“: Beten lernen

Liebe Isarhofener, haben Sie, haben wir alle den Eindruck, wir müssten das Beten lernen? Haben wir Sehnsucht danach? Oder sind wir im Grunde ganz zufrieden mit unserem Gebetsleben und Glaubensleben? Oder haben wir vielleicht gar kein Problembewusstsein für sowas? Meine Frage: Was sehen die Jünger an Jesus, dass sie es von Ihm lernen wollen? Und die Antwort aus der Schrift: Er bringt ihnen danach das Vater Unser bei, das wir alle kennen.  Aber im Grunde geht es dabei nicht zuerst um Gebets-Worte, um neue Formulierungen oder ähnliches.

Denn Jesus legt ja in dieses knappe Gebet beinahe alles hinein, worum ein Christ sinnvoll bitten kann. Und eben dadurch kommt zum Ausdruck: Es geht hier um die Qualität der Beziehung Jesu zu seinem Vater. Die Jünger spüren, die Intensität, die Nähe, die Intimität und Freundschaft des Herrn mit dem Vater – und sie spüren, dass er in seinem Gebet alles vor Ihn bringt und sie spüren, dass er sich so sehr wünscht, dass der Vater geehrt, verherrlicht, geheiligt werden und dass sein Reich kommen möge.

Vertiefung der Dimension „Innenrenovierung“

Das heißt, liebe Schwestern und Brüder, wenn es um eine echte „Innenrenovierung“ Ihrer Kirche als Gemeinde geht, dann geht es auch um Vertiefung eben dieser Dimension: Sicher gibt es schon die treuen Beterinnen und Beter bei Ihnen, aber ich möchte Sie fragen: Haben Sie Sehnsucht nach der Nähe zu Jesus, nach der Nähe zum Vater, nach mehr davon?

Wollen auch Sie mit ganzem Herzen, dass Er nahe ist, dass sein Wille wirklich geschehen möge, dass seine Gegenwart unser Herz erfüllen möge. Mein Anliegen ist es, liebe Schwestern und Brüder, diese Sehnsucht zu wecken, in unserem ganzen Bistum. Die Herzenserkenntnis von Jesus, die Nähe zu Ihm, das innere Leben mit Ihm.

Es kommt auf den Einzelnen an

Wissen Sie, wenn Sie sich an die erste Lesung erinnern, da haben wir den etwas seltsamen Dialog zwischen Abraham und Gott gehört. Er, Abraham, der Vertraute Gottes, handelt gewissermaßen mit Gott darüber, wie viele Gerechte es eigentlich geben soll, geben muss, damit Gott das Unheil nicht über die Stadt Sodom bringt. Kann das auch noch etwas für uns sagen? Ja, kann es.

Im christlichen Glauben sind es ganz oft die Wenigen, die für die Vielen etwas bewirken. Gott wählt Einzelne aus, damit er durch sie alle erreicht. Wenn wir das auf unsere Gruppensituation oben übertragen: ein, zwei, drei wirkliche Beter, wirkliche Freunde Jesu, Menschen, die in seiner Nähe leben und sich danach sehnen, die sind oft fruchtbar und prägend für eine ganze Gemeinschaft und ihren Geist.

Hier ist etwas anders

Ich war kürzlich in unserer Kinderklinik vom Dritten Orden in Passau. Und da leben noch drei Schwestern dieses Ordens, inzwischen alles ältere Damen. Und ich höre immer wieder, dass die Ärzte, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehr dankbar sind, dass die Schwestern da sind, dass sie mit ihrem Gebet und der Art und Weise, wie sie im Haus sind, die ganze Atmosphäre positiv prägen, verändern, beeinflussen. Sie helfen, stellvertretend für andere, dass der Geist des Hauses offen bleibt für Gott, dass er tiefer wird.

Ich möchte Sie im Blick auf Ihre Gemeinde ein wenig herausfordern und fragen: Wie müsste unsere Gemeinde als geistliche Gemeinschaft sein, damit Menschen hier hineinkommen und sagen: Hier ist etwas anders. Hier ist mehr als nur die Welt, hier sind, im Bild gesprochen, auch die Engel da, man spürt einen anderen Geist, eine andere Atmosphäre. Hier ist aufatmen, hier wird mein Herz tief und frei.

Das Geschenk der Versöhnung im Sakrament

Und damit, liebe Schwestern, liebe Brüder, bin ich beim Beichtstuhl, besser Beichtkammer. Ich bin Ihrem Pfarrer, dem Dekan Blömecke, sehr dankbar, dass er sich auch dafür eingesetzt hat, dass das schön wird und dass man spürt: das ist uns wichtig.

Sie wissen alle, dass der Zustand des Beichtsakraments in unseren Breiten im Grunde ziemlich erbärmlich ist, um nicht zu sagen katastrophal. Und ich ringe wirklich damit, weil ich der tiefen Überzeugung bin, dass die Beichte ein unglaubliches Geschenk Gottes an uns alle ist. Ein Geschenk, aus seiner Vergebung leben zu dürfen, immer wieder neu anfangen zu dürfen. Einfach sich von seiner unfassbaren Barmherzigkeit berühren lassen zu dürfen.

Sinn für die Liebe Gottes

Das Problem ist: Um das auch von Innen her mitvollziehen und praktizieren oder wieder entdecken zu können, ist auch so etwas wie der Sinn für die Gegenwart, die Größe, die Heiligkeit und vor allem für die Liebe Gottes nötig. Ist so etwas wie die Sehnsucht nach seiner Gegenwart nötig. Stellen Sie sich einfach einmal einen Augenblick vor: Gott schaut Sie voller Liebe an und zugleich voller Licht, voller Wahrhaftigkeit.

Er sieht alles, all Ihre Gedanken, Ihre Liebe, Ihre Sehnsüchte, Ihre Treue, Ihre Vorzüge, aber auch Ihren Neid, Ihr Getratsche, Ihren Zorn, Ihre schlechten Gewohnheiten, Ihre heimlichen Leidenschaften und Süchte, alles, einfach alles. Nichts können Sie vor Ihm verbergen. Aber er lädt Sie ein, immer mehr in Seinem Licht, in seiner Nähe zu leben. Er zieht Sie an sich.

Umkehr als Verwandlung des Herzens

Und da gibt es etwas in uns, das das nicht will, das spürt: Wenn ich mich Ihm wirklich nähere, müsste ich umkehren, müsste ich manches bleiben lassen, müsste ich mein Leben mit Ihm verändern. Und so laufen wir innerlich weg, werden immer weniger sensibel für Seine Gegenwart und meinen irgendwann: Ich brauch doch nicht beichten. Bei mir fehlt ja nix.

Und schon ist das Gespür weg, um was für eine Gabe es sich handelt – und wie selbstherrlich sind wir eigentlich oftmals, wenn wir sagen: Beichten, brauchen wir nicht mehr. Liebe Schwestern und Brüder, eine solche Aussage, „brauchen wir nicht “ erwächst im Grunde aus unserem Unglauben: Brauche ich nicht mehr. Bei mir passt alles. Es erwächst aus dem mangelnden Glauben, dass Gott wirklich da ist, dass er mich sieht und liebt, aber auch dass er wahr ist und heilig ist. Und dass er uns in der Messe Wandlung schenkt, um uns, unser Herz zu verwandeln, zu vertiefen.

„Innenrenovierung“ ist Freilegung der Tiefenschichten

Liebe Schwestern, liebe Brüder, „Innenrenovierung“ einer Kirche heißt auch Freilegung der Tiefenschichten, heißt nach Innen gehen und gemeinsamen und alleine spüren: Was ist denn eigentlich Kirche? Woraus lebt Kirche? Woraus lebe ich? Und was habe ich zu verschenken, zu eröffnen, damit andere spüren: Hier ist mehr als nur die Welt, hier sind die Engel, hier ist Versöhnung im Herzen möglich, hier ist Gott anwesend.

Ich danke Ihnen allen von Herzen, die Sie hier vor Ort Kirche sind. Ich danke allen, die Sie sich haupt- oder ehrenamtlich für die Kirche von Passau, für diesen Pfarrverband und diese wunderbare, diese erneuerte Kirche St. Simon und Judas Thaddäus einsetzen. Allen, die mitgewirkt haben, dass Ihr Gotteshaus nun wieder so prächtig da steht. Ich freue mich wirklich über das erneuerte Gotteshaus, und ich freue mich zusammen mit Jesus, wenn es darüber hinaus auch erneuerte Sehnsucht nach Seiner Gegenwart gibt. Gottes segne alle. Amen.