Bild: Susanne Schmidt

Interview: Synodaler Weg und Weltsynode

Im Oktober 2023 fand in Rom die dritte Etappe der Weltsynode unter dem Leitwort „Für eine synodale Kirche“statt. Kurze Zeit zuvor endete der Synodale Weg in Deutschland. Der Passauer Bischof Stefan Oster SDB nahm an beiden Prozessen teil. Im Interview mit Thomas Kycia von „Gosc Niedzielny“ berichtet er über die Weltsynode, seine Erfahrungen beim Synodalen Weg und Synodalität.

Lieber Herr Bischof, wie geht es nun nach dem Brief des Papstes (an die vier ehem. Teilnehmerinnen des Synodalen Wegs) weiter? Sie gehören zu den vier Diözesanbischöfen, die ihre Teilnahme am Synodalen Ausschuss verweigert haben und die auch diesen in keinerlei Form unterstützen wollen. Aber die Mehrheit Ihrer Mitbrüder arbeitet da weiter mit. Steuern wir in Deutschland auf eine tiefe Kirchenspaltung zu oder ist sie gar schon Wirklichkeit?

Der Papst hat offenbar große Sorgen – und aus meiner Sicht sind sie nicht unberechtigt. Ich selbst gehe aus mehreren Gründen nicht zu diesem Synodalen Ausschuss – und das gibt natürlich nach außen das Bild einer gespaltenen Bischofskonferenz. Auch das ist eigentlich eine Katastrophe für das gläubige Volk in Deutschland: Die Bischöfe sind gespalten. Aber tatsächlich möchte ich mit meiner Entscheidung, nicht am Synodalen Ausschuss teilzunehmen, gerade die Einheit mit Rom bewahren – und mich nicht, wie Papst Franziskus in diesem Brief schreibt, „immer weiter vom gemeinsamen Weg der Weltkirche entfernen.“ Das heißt, ich sah mich vor der Wahl: Die schon bestehende Polarisierung unter den Bischöfen deutlich sichtbar zu machen oder meinen Weg der Einheit mit der Gesamtkirche sichtbar zu machen. Beides wiegt schwer – und die Tragödie ist aus meiner Sicht, dass wir deutschen Bischöfe uns in entscheidenden Fragen der Anthropologie und der Ekklesiologie so wenig einig sind.

Fühlen Sie sich durch den Brief des Papstes an die vier ehemaligen Teilnehmerinnen des synodalen Weges bestätigt oder eher traurig, dass es soweit in Deutschland gekommen ist? Wo sehen Sie den Ausweg aus dieser tiefen Zwietracht?

Beides: Ich habe mich über die Klarheit von Franziskus in diesem Brief gefreut und war auch traurig darüber, dass die Situation bei uns ist, wie sie ist. Einen Ausweg würde ich sehen, wenn sich der Synodale Weg in Deutschland nun auch in den weltkirchlichen Prozess einordnen könnte ­– mit einem klaren Bekenntnis auch zu dessen Inhalten und Entscheidungen. Das bräuchte viel Demut und würde womöglich sogar eine Rücknahme von schon getroffenen Entscheidungen beim Synodalen Weg in Deutschland bedeuten müssen – etwa in Bezug auf den Beschluss über „Segensfeiern für Paare, die sich lieben“. Hier geht es ja bei weitem nicht nur um Menschen, die gleichgeschlechtlich empfinden, sondern der Kreis geht deutlich weiter und umfasst vielerlei Paarkonstellationen. Der Beschluss macht also deutlich: Im Grunde wird in Deutschland eine veränderte Sexualmoral schon vorausgesetzt – und auf dieser Basis geht man einfach weiter.

Was den synodalen Weg anbelangt, gab es immer wieder Warnsignale aus verschiedenen Regionen der Welt, zuletzt hat seine Sorge an den Papst der Vorsitzende der polnischen Bischofskonferenz EB Stanisław Gądecki geäußert, mit dem Sie zusammen an der Weltsynode in Rom teilgenommen haben. Welchen Stellenwert hatten diese geäußerten Sorgen unter den Bischöfen bzw. auch unter den Teilnehmern des Synodalen Weges?

Da ich zu der bischöflichen Minderheit gehöre, die sich auch öffentlich kritisch zum Synodalen Weg platziert hat, habe ich gerade auf der Weltsynode in Rom viele ermutigende Stimmen aus allen Teilen der Welt gehört. Mancher hat sich auch gewundert, dass es in Deutschland Bischöfe gibt, die so denken wie ich. Mit Erzbischof Stanisław Gądecki hatte ich ein paar gute Begegnungen vor allem in den Pausen. Er ist sehr klar in seinem Blick auf den möglichen Sprengstoff, der in den Texten des Synodalen Weges steckt. Und daher ist er auch ein echter Mahner, ebenso wie es ja auch ähnliche Stimmen aus anderen Teilen der Welt gegeben hat, etwa aus den USA oder Afrika. Ich kann aber auch sehen, warum sich mancher deutsche Bischof von Erzbischof Gądecki nicht richtig verstanden fühlt, weil unsere kirchliche und gesellschaftliche Situation doch deutlich anders ist als die in Polen.

Ich versuche ja auch bei uns immer wieder zu verstehen, an welchen Stellen wir als Bischöfe auch zusammenbleiben können, weil es ja in der Theologie und in der Lehre immer auch Entwicklung gegeben hat. Zugleich versuche ich zu verstehen, an welcher Stelle diese Entwicklung nicht möglich ist, weil es eine prinzipielle Grenze gibt. Und an entscheidenden Stellen überschreitet der Synodale Weg aus meiner Sicht solche Grenzen. Das sieht auch Erzbischof Gądecki. Aber wenn er einen Beschwerdebrief an den Papst schreibt, in dem es auch um uns deutsche Bischöfe geht, dann hätte ich mir wie Bischof Bätzing wohl auch gewünscht, dass er uns davon zumindest in Kenntnis setzt oder in den Dialog mit uns geht.

Sie sind in den Synodalen Weg eingestiegen unter gewissem Vorbehalt. In einem Interview für den polnischen „Przewodnik katolicki“ sagten Sie mir, „das Thema der Einmütigkeit der Bischofskonferenz sei mir sehr wichtig – auch theologisch.“ Sie haben damals gehofft, dass Sie „in ein ehrliches, intensives Gespräch kommen“, gaben aber auch zu, nicht zu wissen, wo der Weg hinführt. Was ist Ihre Bilanz heute? Hat sich das gelohnt? Was können Sie Positives dem Synodalen Weg abgewinnen?

Ein wichtiger Punkt war sicher die Betonung, welche Katastrophe der Skandal des sexuellen Missbrauchs für die Kirche ist – und die Suche nach Ursachen, vor allem auch nach so genannten systemischen Ursachen. Hier können wir Deutschen mit unseren finanziellen Möglichkeiten durch die Kirchensteuer auch effektiv und sehr gründlich sein – und auch große Veranstaltungen wie den Synodalen Weg organisieren. Dort wird dann der Anspruch erhoben, tiefgründig nachzuforschen und umfangreiche, theologisch durchdachte Texte vorzulegen.

Ich glaube aber auch, dass das, was wir mit „systemischen Ursachen“ meinen, bei Papst Franziskus oft unter dem Stichwort „Klerikalismus“ mitgemeint ist. Unsere Texte differenzieren das dann noch stärker aus. Etwa in der komplexen Frage: Was bedeutet Macht in der Kirche? Weltliche Macht, geistliche Macht, Macht der Priester und andere Machterscheinungen mehr? Allerdings neigen wir Deutschen dann auch wieder dazu, gleich das Ganze zu problematisieren – und zum Beispiel mit der klerikalen Macht auch die Sakramentalität des priesterlichen Dienstes in Frage zu stellen. Und das geht dann natürlich zu weit. Außerdem glaube ich: Wir wollen Reformen vor allem strukturell anpacken, weil geistliche Erneuerung so viel schwerer scheint als strukturelle. Und das halte ich für das eigentliche Problem.

Vielleicht wurde das gerade durch den Synodalen Weg klarer geworden?

Ja, vielleicht ist es auch wichtig, dass jetzt die Karten offen auf dem Tisch liegen. Die meisten der Teilnehmer am Synodalen Weg waren ja Menschen, die beruflich mit der Kirche zu tun haben. Und die dominierenden Theologen, die dabei waren, waren für liberalisierende Veränderungen. Und so konnte man sehen: Die große Mehrheit derjenigen, die in Deutschland durch die Kirche ihr Geld verdienen, denken so, wie es die Beschlüsse des Synodalen Weges zeigen. Ich würde aber bezweifeln wollen, dass diejenigen gläubigen Menschen in Deutschland aus dem normalen Volk Gottes, denen zum Beispiel die treue Teilnahme an der Heiligen Messe wichtig ist, die neben dem Sonntag auch einmal am Werktag mitfeiern und dann auch noch regelmäßig zum Beichten gehen, ob diese Menschen mehrheitlich auch den wichtigsten Beschlüssen des Synodalen Weges folgen würden. Jedenfalls ist durch den Synodalen Weg deutlich geworden, wie tief an bestimmten Stellen die Gräben sind.

Und die theologische Grundlage – war sie zufriedenstellend für Sie? Gab es dort Ansatzpunkte für eine ehrliche Auseinandersetzung? Sie sind ja Theologieprofessor.

Meine Erfahrung war, dass die wenigen Theologinnen und Theologen, die kritisch zu bestimmten Reformthemen stehen und denen es um ein vertiefendes und differenziertes Verstehen der bestehenden Lehre aus dem Geist des Zweiten Vatikanischen Konzils, der Tradition und der Schrift geht, wenig Chancen hatten. Ich hatte auch in meinem Forum, in dem es über die Sexualmoral ging, den starken Eindruck, dass in jedem Fall eine Erneuerung formuliert werden sollte, die die bisher geltende Lehre in wesentlichen Punkten verändern würde. Das schien mir von vornherein bei den Hauptprotagonisten des Synodalen Weges im Grunde festzustehen, dass man bei der Sexualmoral auf alle Fälle deutliche Änderungen brauche. Und das hat dann das Problem und grundsätzliche Diskussionen erschwert.

Ich glaube, in der Tiefe geht es um grundlegende, auch metaphysische Fragen, etwa: Wie verstehen wir die Freiheit des Menschen? Und wie verhält sich Freiheit zur Wahrheit? Und was bedeutet zum Beispiel eine erlöste Freiheit? Ich selbst komme zu diesen Themen aus einer Schule des Personalismus, die auch der Lehre von Papst Johannes Paul II. nahe ist. Andere, die breite Mehrheit, hatte einen anderen Ansatz, etwa bei der Frage nach der Freiheit. Aber das Problem war: An diese Wurzeln von Gegensätzen sind wir dann doch nicht gekommen. Da war die deutliche Mehrheit, so mein Eindruck, zu schnell von der Richtigkeit der eigenen Position überzeugt – und ist weitergegangen.

War es anders bei der Weltsynode in Rom? Was waren die größten Unterschiede zwischen diesen beiden Treffen?

Ich will drei große Unterschiede von einigen weiteren benennen. Erstens: Der Papst hat es wirklich ernst gemeint, als er sagte, der eigentliche Protagonist der Synode sei der Hl. Geist. Synodalität bedeutet wirklich Zuhören, bedeutet immer wieder Schweigen, Beten, die Schrift hören – und dann so sprechen, dass es keine schnellen Polarisierungen gibt, so hören und sprechen, dass ich auch beim theologischen Gegner noch etwas Richtiges und Gutes suchen und finden kann. Der Papst will uns also auch helfen, mögliche Gegensätze auf einer tieferen Ebene zu überwinden und zueinander zu finden, damit wir wirklich gemeinsam gehen können.

Der zweite: Papst Franziskus hat betont, wie wichtig für die Synode der „geschützte Raum“ ist – im Blick auf die Medien. Wenn es keinen Livestream gibt, keine ständige Medienbeobachtung, dann ist die Versuchung viel kleiner, politisch zu sprechen, sondern frei aus dem Herzen. Und auch bei heiklen Themen gelingt das Sprechen aus dem Inneren des Herzens in einem geschützten Raum viel leichter. Immer wieder hat der Papst gesagt: Es geht nicht um Politik, wir sind kein Parlament. Wir sind gemeinsam geistlich auf dem Weg – unter der Leitung des Hl. Geistes.

Und drittens: Das Thema „Mission“ ist in die Mitte gerückt. Zunächst hieß ja die Reihenfolge der Gliederung: Gemeinschaft, Partizipation, Mission. Jetzt, nachdem die Synode schon durch viele Stufen auf der lokalen, nationalen und kontinentalen Ebene vorbereitet war, hat sich im Instrumentum laboris die Reihenfolge verändert: Jetzt hieß es Gemeinschaft, Mission, Partizipation. Und das war sehr bewusst: Wie können wir eine Gemeinschaft sein, die wirklich eine Mission hat; oder besser formuliert: Eine Gemeinschaft, die eine Mission ist, weil Mission ihre tiefste Identität ist? Und wie können dann auf diesem missionarischen Weg möglichst viele mitgenommen werden (Partizipation)?

Was hat die erste Etappe der Weltsynode gebracht (im Sinne von zufriedenstellend) und was muss noch konkret angepackt werden?

Es war eine großartige weltkirchliche Erfahrung. Es ist einfach wunderbar, sich in so einem Kontext als katholischer Christ erfahren zu dürfen. Wir haben ein Papier verabschiedet, das auf 40 dichten Seiten sehr viel enthält. Aber das Papier erzählt im Grunde zunächst nur, was war und was sich daraus ergeben könnte. Es ist bis jetzt noch eine Art „Synode“ über alles oder wenigstens über ganz viele Themen. Wir haben aber zum jetzigen Zeitpunkt noch keine konkreten Vorschläge für nächste Schritte – auf den verschiedenen Ebenen ­–, die dann auch alle mitgehen sollten.

Viele Wortmeldungen haben sich zum Beispiel immer um „Formation“ gedreht – Formation für die Synodalität: Formation des Volkes Gottes, der Priesteramtskandidaten, der Priester, der Bischöfe. Aber wenn immer noch nicht genau beschrieben ist, was Synodalität zum Beispiel im Unterschied zur Gemeinschaft meint oder zum „pilgernden Volk Gottes“ (II. Vatikan. Konzil), dann müssen wir das erst lernen und vertiefen. Wir brauchen vielleicht auch eine Theologie der Synodalität. Und dann kommt natürlich die Frage: Wird es auch zu sehr konkreten Themen und Fragen sehr konkrete Vorschläge geben, die dann dem Papst vorgelegt werden? Da erwarten die Medien natürlich die „üblichen Themen“, die dauernd diskutiert werden. Aber sind das wirklich die zentralen?

Sie waren gemeinsam mit Kard. Grzegorz Ryś (aus Lodz) in einer Arbeitsgruppe. Sowohl er als auch Sie brennen für die Neuevangelisierung und stellen immer wieder die Christusbeziehung in die Mitte. Gibt es da womöglich gemeinsame Berührungspunkte, die eine dauerhafte gemeinsame Arbeit für die Erneuerung der Kirche ermöglichen?

Ich habe mich mit Kardinal Ryś zum Beispiel in einer Arbeitsgruppe für die Ökumene recht gut verstanden. Und ich glaube, wir haben auch ein wenig einen Draht zueinander gewonnen. Ich habe ihn ja gar nicht gekannt – und nach und nach entdeckt, was das für ein beeindruckender Mann ist. Und was gemeinsame Arbeit angeht? Ich bin gespannt, was noch kommt: Wir treffen uns ja im nächsten Oktober noch einmal für die dann letzte Runde der Synode über Synodalität.

Was liegt Ihnen am meisten am Herzen, wenn Sie an die Kirche, besonders an die Kirche in Deutschland denken? Was muss schnellstens als erstes angepackt werden?

Ich glaube, Papst Johannes Paul II. hat mit dem Wort von der Neuevangelisierung vor allem eines gemeint: Dass Menschen wirklich in eine persönliche und gemeinschaftliche Christusbeziehung finden. Nun kann man das nicht einfach „machen“, sondern nur bezeugen – und man kann Orte und Räume von gläubiger, betender Gemeinschaft und Freundschaft entstehen lassen, in denen Christusbegegnung etwas ist, was man erwarten darf, womit man rechnet.

Außerdem bin ich immer wieder erstaunt, wie sehr konkretes Wissen über den Glauben wegbricht oder wie Menschen gar nicht mehr interessiert daran sind. Hier etwas zu tun, ist wirklich wesentlich, also Arbeit mit der Schrift, mit der Überlieferung etc. Wo gibt es gute, anziehende Formate von Glaubensverkündigung, wo die Leute gern hingehen? Und dann glaube ich, ist es wirklich wichtig (und das sage ich auch zu mir), dass wir arme Menschen viel mehr beachten; dass sie mit uns gehen können, dass wir sie brauchen, weil sie uns den armen Jesus zeigen.

Woraus nehmen Sie Zuversicht für all das?

Ich fühle mich getragen vom Gebet in meiner Gemeinschaft, in der ich lebe. Ich habe außerdem wunderbare Menschen, die meinen Dienst im Team unterstützen. Ich fühle mich Christus und manchen Heiligen manchmal sehr nah und verbunden. Und ich fühle mich manchmal voll Dankbarkeit wie ein kleiner Junge, der ganz oft etwas tun darf, woran er wirklich Freude hat – trotz meiner Grenzen und Sünden: Über Jesus zu sprechen und hoffentlich – wenn auch nur wie ein Anfänger – aus Ihm zu leben.


Lesen Sie auch die Äußerungen von Bischof Stefan zum Synodalen Weg in Deutschland und zur Synode über Synodalität in Rom. Lesen Sie auch weitere Statements zur Weltsynode auf der Homepage des Bistums.