Im Oktober 2023 fand in Rom die dritte Etappe der Weltsynode unter dem Leitwort „Für eine synodale Kirche“statt. Kurze Zeit zuvor endete der Synodale Weg in Deutschland. Der Passauer Bischof Stefan Oster SDB nahm an beiden Prozessen teil. Im Interview mit Thomas Kycia von „Gosc Niedzielny“ berichtet er über die Weltsynode, seine Erfahrungen beim Synodalen Weg und Synodalität.
Lieber Herr Bischof, wie geht es nun nach dem Brief des Papstes (an die vier ehem. Teilnehmerinnen des Synodalen Wegs) weiter? Sie gehören zu den vier Diözesanbischöfen, die ihre Teilnahme am Synodalen Ausschuss verweigert haben und die auch diesen in keinerlei Form unterstützen wollen. Aber die Mehrheit Ihrer Mitbrüder arbeitet da weiter mit. Steuern wir in Deutschland auf eine tiefe Kirchenspaltung zu oder ist sie gar schon Wirklichkeit?
Der Papst hat offenbar große Sorgen – und aus meiner Sicht sind sie nicht unberechtigt. Ich selbst gehe aus mehreren Gründen nicht zu diesem Synodalen Ausschuss – und das gibt natürlich nach außen das Bild einer gespaltenen Bischofskonferenz. Auch das ist eigentlich eine Katastrophe für das gläubige Volk in Deutschland: Die Bischöfe sind gespalten. Aber tatsächlich möchte ich mit meiner Entscheidung, nicht am Synodalen Ausschuss teilzunehmen, gerade die Einheit mit Rom bewahren – und mich nicht, wie Papst Franziskus in diesem Brief schreibt, „immer weiter vom gemeinsamen Weg der Weltkirche entfernen.“ Das heißt, ich sah mich vor der Wahl: Die schon bestehende Polarisierung unter den Bischöfen deutlich sichtbar zu machen oder meinen Weg der Einheit mit der Gesamtkirche sichtbar zu machen. Beides wiegt schwer – und die Tragödie ist aus meiner Sicht, dass wir deutschen Bischöfe uns in entscheidenden Fragen der Anthropologie und der Ekklesiologie so wenig einig sind.
Fühlen Sie sich durch den Brief des Papstes an die vier ehemaligen Teilnehmerinnen des synodalen Weges bestätigt oder eher traurig, dass es soweit in Deutschland gekommen ist? Wo sehen Sie den Ausweg aus dieser tiefen Zwietracht?
Beides: Ich habe mich über die Klarheit von Franziskus in diesem Brief gefreut und war auch traurig darüber, dass die Situation bei uns ist, wie sie ist. Einen Ausweg würde ich sehen, wenn sich der Synodale Weg in Deutschland nun auch in den weltkirchlichen Prozess einordnen könnte – mit einem klaren Bekenntnis auch zu dessen Inhalten und Entscheidungen. Das bräuchte viel Demut und würde womöglich sogar eine Rücknahme von schon getroffenen Entscheidungen beim Synodalen Weg in Deutschland bedeuten müssen – etwa in Bezug auf den Beschluss über „Segensfeiern für Paare, die sich lieben“. Hier geht es ja bei weitem nicht nur um Menschen, die gleichgeschlechtlich empfinden, sondern der Kreis geht deutlich weiter und umfasst vielerlei Paarkonstellationen. Der Beschluss macht also deutlich: Im Grunde wird in Deutschland eine veränderte Sexualmoral schon vorausgesetzt – und auf dieser Basis geht man einfach weiter.
Was den synodalen Weg anbelangt, gab es immer wieder Warnsignale aus verschiedenen Regionen der Welt, zuletzt hat seine Sorge an den Papst der Vorsitzende der polnischen Bischofskonferenz EB Stanisław Gądecki geäußert, mit dem Sie zusammen an der Weltsynode in Rom teilgenommen haben. Welchen Stellenwert hatten diese geäußerten Sorgen unter den Bischöfen bzw. auch unter den Teilnehmern des Synodalen Weges?
Da ich zu der bischöflichen Minderheit gehöre, die sich auch öffentlich kritisch zum Synodalen Weg platziert hat, habe ich gerade auf der Weltsynode in Rom viele ermutigende Stimmen aus allen Teilen der Welt gehört. Mancher hat sich auch gewundert, dass es in Deutschland Bischöfe gibt, die so denken wie ich. Mit Erzbischof Stanisław Gądecki hatte ich ein paar gute Begegnungen vor allem in den Pausen. Er ist sehr klar in seinem Blick auf den möglichen Sprengstoff, der in den Texten des Synodalen Weges steckt. Und daher ist er auch ein echter Mahner, ebenso wie es ja auch ähnliche Stimmen aus anderen Teilen der Welt gegeben hat, etwa aus den USA oder Afrika. Ich kann aber auch sehen, warum sich mancher deutsche Bischof von Erzbischof Gądecki nicht richtig verstanden fühlt, weil unsere kirchliche und gesellschaftliche Situation doch deutlich anders ist als die in Polen.
Ich versuche ja auch bei uns immer wieder zu verstehen, an welchen Stellen wir als Bischöfe auch zusammenbleiben können, weil es ja in der Theologie und in der Lehre immer auch Entwicklung gegeben hat. Zugleich versuche ich zu verstehen, an welcher Stelle diese Entwicklung nicht möglich ist, weil es eine prinzipielle Grenze gibt. Und an entscheidenden Stellen überschreitet der Synodale Weg aus meiner Sicht solche Grenzen. Das sieht auch Erzbischof Gądecki. Aber wenn er einen Beschwerdebrief an den Papst schreibt, in dem es auch um uns deutsche Bischöfe geht, dann hätte ich mir wie Bischof Bätzing wohl auch gewünscht, dass er uns davon zumindest in Kenntnis setzt oder in den Dialog mit uns geht.
Sie sind in den Synodalen Weg eingestiegen unter gewissem Vorbehalt. In einem Interview für den polnischen „Przewodnik katolicki“ sagten Sie mir, „das Thema der Einmütigkeit der Bischofskonferenz sei mir sehr wichtig – auch theologisch.“ Sie haben damals gehofft, dass Sie „in ein ehrliches, intensives Gespräch kommen“, gaben aber auch zu, nicht zu wissen, wo der Weg hinführt. Was ist Ihre Bilanz heute? Hat sich das gelohnt? Was können Sie Positives dem Synodalen Weg abgewinnen?
Ein wichtiger Punkt war sicher die Betonung, welche Katastrophe der Skandal des sexuellen Missbrauchs für die Kirche ist – und die Suche nach Ursachen, vor allem auch nach so genannten systemischen Ursachen. Hier können wir Deutschen mit unseren finanziellen Möglichkeiten durch die Kirchensteuer auch effektiv und sehr gründlich sein – und auch große Veranstaltungen wie den Synodalen Weg organisieren. Dort wird dann der Anspruch erhoben, tiefgründig nachzuforschen und umfangreiche, theologisch durchdachte Texte vorzulegen.
Ich glaube aber auch, dass das, was wir mit „systemischen Ursachen“ meinen, bei Papst Franziskus oft unter dem Stichwort „Klerikalismus“ mitgemeint ist. Unsere Texte differenzieren das dann noch stärker aus. Etwa in der komplexen Frage: Was bedeutet Macht in der Kirche? Weltliche Macht, geistliche Macht, Macht der Priester und andere Machterscheinungen mehr? Allerdings neigen wir Deutschen dann auch wieder dazu, gleich das Ganze zu problematisieren – und zum Beispiel mit der klerikalen Macht auch die Sakramentalität des priesterlichen Dienstes in Frage zu stellen. Und das geht dann natürlich zu weit. Außerdem glaube ich: Wir wollen Reformen vor allem strukturell anpacken, weil geistliche Erneuerung so viel schwerer scheint als strukturelle. Und das halte ich für das eigentliche Problem.
Vielleicht wurde das gerade durch den Synodalen Weg klarer geworden?
Ja, vielleicht ist es auch wichtig, dass jetzt die Karten offen auf dem Tisch liegen. Die meisten der Teilnehmer am Synodalen Weg waren ja Menschen, die beruflich mit der Kirche zu tun haben. Und die dominierenden Theologen, die dabei waren, waren für liberalisierende Veränderungen. Und so konnte man sehen: Die große Mehrheit derjenigen, die in Deutschland durch die Kirche ihr Geld verdienen, denken so, wie es die Beschlüsse des Synodalen Weges zeigen. Ich würde aber bezweifeln wollen, dass diejenigen gläubigen Menschen in Deutschland aus dem normalen Volk Gottes, denen zum Beispiel die treue Teilnahme an der Heiligen Messe wichtig ist, die neben dem Sonntag auch einmal am Werktag mitfeiern und dann auch noch regelmäßig zum Beichten gehen, ob diese Menschen mehrheitlich auch den wichtigsten Beschlüssen des Synodalen Weges folgen würden. Jedenfalls ist durch den Synodalen Weg deutlich geworden, wie tief an bestimmten Stellen die Gräben sind.
Und die theologische Grundlage – war sie zufriedenstellend für Sie? Gab es dort Ansatzpunkte für eine ehrliche Auseinandersetzung? Sie sind ja Theologieprofessor.
Meine Erfahrung war, dass die wenigen Theologinnen und Theologen, die kritisch zu bestimmten Reformthemen stehen und denen es um ein vertiefendes und differenziertes Verstehen der bestehenden Lehre aus dem Geist des Zweiten Vatikanischen Konzils, der Tradition und der Schrift geht, wenig Chancen hatten. Ich hatte auch in meinem Forum, in dem es über die Sexualmoral ging, den starken Eindruck, dass in jedem Fall eine Erneuerung formuliert werden sollte, die die bisher geltende Lehre in wesentlichen Punkten verändern würde. Das schien mir von vornherein bei den Hauptprotagonisten des Synodalen Weges im Grunde festzustehen, dass man bei der Sexualmoral auf alle Fälle deutliche Änderungen brauche. Und das hat dann das Problem und grundsätzliche Diskussionen erschwert.
Ich glaube, in der Tiefe geht es um grundlegende, auch metaphysische Fragen, etwa: Wie verstehen wir die Freiheit des Menschen? Und wie verhält sich Freiheit zur Wahrheit? Und was bedeutet zum Beispiel eine erlöste Freiheit? Ich selbst komme zu diesen Themen aus einer Schule des Personalismus, die auch der Lehre von Papst Johannes Paul II. nahe ist. Andere, die breite Mehrheit, hatte einen anderen Ansatz, etwa bei der Frage nach der Freiheit. Aber das Problem war: An diese Wurzeln von Gegensätzen sind wir dann doch nicht gekommen. Da war die deutliche Mehrheit, so mein Eindruck, zu schnell von der Richtigkeit der eigenen Position überzeugt – und ist weitergegangen.
War es anders bei der Weltsynode in Rom? Was waren die größten Unterschiede zwischen diesen beiden Treffen?
Ich will drei große Unterschiede von einigen weiteren benennen. Erstens: Der Papst hat es wirklich ernst gemeint, als er sagte, der eigentliche Protagonist der Synode sei der Hl. Geist. Synodalität bedeutet wirklich Zuhören, bedeutet immer wieder Schweigen, Beten, die Schrift hören – und dann so sprechen, dass es keine schnellen Polarisierungen gibt, so hören und sprechen, dass ich auch beim theologischen Gegner noch etwas Richtiges und Gutes suchen und finden kann. Der Papst will uns also auch helfen, mögliche Gegensätze auf einer tieferen Ebene zu überwinden und zueinander zu finden, damit wir wirklich gemeinsam gehen können.
Der zweite: Papst Franziskus hat betont, wie wichtig für die Synode der „geschützte Raum“ ist – im Blick auf die Medien. Wenn es keinen Livestream gibt, keine ständige Medienbeobachtung, dann ist die Versuchung viel kleiner, politisch zu sprechen, sondern frei aus dem Herzen. Und auch bei heiklen Themen gelingt das Sprechen aus dem Inneren des Herzens in einem geschützten Raum viel leichter. Immer wieder hat der Papst gesagt: Es geht nicht um Politik, wir sind kein Parlament. Wir sind gemeinsam geistlich auf dem Weg – unter der Leitung des Hl. Geistes.
Und drittens: Das Thema „Mission“ ist in die Mitte gerückt. Zunächst hieß ja die Reihenfolge der Gliederung: Gemeinschaft, Partizipation, Mission. Jetzt, nachdem die Synode schon durch viele Stufen auf der lokalen, nationalen und kontinentalen Ebene vorbereitet war, hat sich im Instrumentum laboris die Reihenfolge verändert: Jetzt hieß es Gemeinschaft, Mission, Partizipation. Und das war sehr bewusst: Wie können wir eine Gemeinschaft sein, die wirklich eine Mission hat; oder besser formuliert: Eine Gemeinschaft, die eine Mission ist, weil Mission ihre tiefste Identität ist? Und wie können dann auf diesem missionarischen Weg möglichst viele mitgenommen werden (Partizipation)?
Was hat die erste Etappe der Weltsynode gebracht (im Sinne von zufriedenstellend) und was muss noch konkret angepackt werden?
Es war eine großartige weltkirchliche Erfahrung. Es ist einfach wunderbar, sich in so einem Kontext als katholischer Christ erfahren zu dürfen. Wir haben ein Papier verabschiedet, das auf 40 dichten Seiten sehr viel enthält. Aber das Papier erzählt im Grunde zunächst nur, was war und was sich daraus ergeben könnte. Es ist bis jetzt noch eine Art „Synode“ über alles oder wenigstens über ganz viele Themen. Wir haben aber zum jetzigen Zeitpunkt noch keine konkreten Vorschläge für nächste Schritte – auf den verschiedenen Ebenen –, die dann auch alle mitgehen sollten.
Viele Wortmeldungen haben sich zum Beispiel immer um „Formation“ gedreht – Formation für die Synodalität: Formation des Volkes Gottes, der Priesteramtskandidaten, der Priester, der Bischöfe. Aber wenn immer noch nicht genau beschrieben ist, was Synodalität zum Beispiel im Unterschied zur Gemeinschaft meint oder zum „pilgernden Volk Gottes“ (II. Vatikan. Konzil), dann müssen wir das erst lernen und vertiefen. Wir brauchen vielleicht auch eine Theologie der Synodalität. Und dann kommt natürlich die Frage: Wird es auch zu sehr konkreten Themen und Fragen sehr konkrete Vorschläge geben, die dann dem Papst vorgelegt werden? Da erwarten die Medien natürlich die „üblichen Themen“, die dauernd diskutiert werden. Aber sind das wirklich die zentralen?
Sie waren gemeinsam mit Kard. Grzegorz Ryś (aus Lodz) in einer Arbeitsgruppe. Sowohl er als auch Sie brennen für die Neuevangelisierung und stellen immer wieder die Christusbeziehung in die Mitte. Gibt es da womöglich gemeinsame Berührungspunkte, die eine dauerhafte gemeinsame Arbeit für die Erneuerung der Kirche ermöglichen?
Ich habe mich mit Kardinal Ryś zum Beispiel in einer Arbeitsgruppe für die Ökumene recht gut verstanden. Und ich glaube, wir haben auch ein wenig einen Draht zueinander gewonnen. Ich habe ihn ja gar nicht gekannt – und nach und nach entdeckt, was das für ein beeindruckender Mann ist. Und was gemeinsame Arbeit angeht? Ich bin gespannt, was noch kommt: Wir treffen uns ja im nächsten Oktober noch einmal für die dann letzte Runde der Synode über Synodalität.
Was liegt Ihnen am meisten am Herzen, wenn Sie an die Kirche, besonders an die Kirche in Deutschland denken? Was muss schnellstens als erstes angepackt werden?
Ich glaube, Papst Johannes Paul II. hat mit dem Wort von der Neuevangelisierung vor allem eines gemeint: Dass Menschen wirklich in eine persönliche und gemeinschaftliche Christusbeziehung finden. Nun kann man das nicht einfach „machen“, sondern nur bezeugen – und man kann Orte und Räume von gläubiger, betender Gemeinschaft und Freundschaft entstehen lassen, in denen Christusbegegnung etwas ist, was man erwarten darf, womit man rechnet.
Außerdem bin ich immer wieder erstaunt, wie sehr konkretes Wissen über den Glauben wegbricht oder wie Menschen gar nicht mehr interessiert daran sind. Hier etwas zu tun, ist wirklich wesentlich, also Arbeit mit der Schrift, mit der Überlieferung etc. Wo gibt es gute, anziehende Formate von Glaubensverkündigung, wo die Leute gern hingehen? Und dann glaube ich, ist es wirklich wichtig (und das sage ich auch zu mir), dass wir arme Menschen viel mehr beachten; dass sie mit uns gehen können, dass wir sie brauchen, weil sie uns den armen Jesus zeigen.
Woraus nehmen Sie Zuversicht für all das?
Ich fühle mich getragen vom Gebet in meiner Gemeinschaft, in der ich lebe. Ich habe außerdem wunderbare Menschen, die meinen Dienst im Team unterstützen. Ich fühle mich Christus und manchen Heiligen manchmal sehr nah und verbunden. Und ich fühle mich manchmal voll Dankbarkeit wie ein kleiner Junge, der ganz oft etwas tun darf, woran er wirklich Freude hat – trotz meiner Grenzen und Sünden: Über Jesus zu sprechen und hoffentlich – wenn auch nur wie ein Anfänger – aus Ihm zu leben.
Lesen Sie auch die Äußerungen von Bischof Stefan zum Synodalen Weg in Deutschland und zur Synode über Synodalität in Rom. Lesen Sie auch weitere Statements zur Weltsynode auf der Homepage des Bistums.
Comments
Sehr geehrter Herr Bischof, manches aus diesem Interview finde ich schwierig, manches dagegen auch wunderschön und echt wichtig. Ja, mich schmerzt es auch, dass sich die deutschen Bischöfe so wenig einig sind. Sie schreiben, dass Sie sich gewünscht hätten, dass Erzbischof Gadecki die deutschen Bischöfe über den Brief informiert hätte und den Dialog gesucht hätte. Das verstehe ich sehr gut. Bloß Sie selbst haben mit vier Bischöfen auch einen Brief an Rom geschrieben und da hätten sich die anderen Bischöfe ebenso gewünscht, dass Sie diese über den Inhalt vorher informiert hätten. War das nicht die gleiche Vorgehensweise?
Schwierig finde ich, dass Sie die meisten Teilnehmer des synodalen Weges in Kontrast zu dem „normalen Volk Gottes“ stellen. Das funktioniert meiner Meinung so nicht und es ist auch nicht zielführend. Menschen, die beim synodalen Weg dabei waren und ihr Geld durch die Kirche verdienen, können genauso zu denen gehören, die am Sonntag und am Werktag in die Messe oder regelmäßig zur Beichte gehen. Und warum bezweifeln Sie, dass nun das „normale Volk“, wer immer das auch ist, mehrheitlich den Beschlüssen des Synodalen Weges folgen würde? Wie wichtig ist dies überhaupt? Ist diese Aussage belegbar oder sind das nicht einfach Spekulationen? Erinnern Sie sich vielleicht noch an das Treffen mit dem Diözesanrat in Passau, als über den Handlungstext, den Sie auch im Interview nennen, „Paare, die sich lieben“ gesprochen wurde? Wie waren da die Mehrheitsverhältnisse? Ich bin mir sicher, dass auch hier Gläubige dabei waren, die Sie zum „normalen Volk Gottes“ zählen würden. Mich und ich denke auch Sie, sehr geehrter Herr Bischof, hat der Film „Wie Gott uns schuf“ betroffen gemacht und wenn ich lese, wie in Ghana die Regierung und auch manche Bischöfe diesen Menschen begegnen, dann kann dies nicht richtig sein. Da sind wir bestimmt einer Meinung. Aber hat Sie der Vortrag von Prof. Bleyer, der so wunderbar mit der Bibel gearbeitet hat, nicht auch im Herzen berührt? Glauben Sie nicht, dass, wenn man Bleyers Bibelauslegung folgt, eine Änderung der geltenden Lehre hinsichtlich von gleichgeschlechtlichen Paaren notwendig wäre? Natürlich stimmt es, dass so manches am synodalen Weg auch echt problematisch war. Ich gebe Ihnen recht, dass es viel leichter ist, Strukturen zu ändern. Das bloße Ändern dieser Strukturen wird aber nicht viel bewirken. Da bin ich sehr skeptisch. „Schnelle Polarisierung“ gab es beim synodalen Weg und die Ergebnisse konnte man vorher schon erahnen, wobei mir manches auch zu weit ging. Jesus, der uns das Reich Gottes näher bringt, als den Sinn des Lebens zu suchen, ist der Kern von allem – ohne dem wird es nicht funktionieren. Ihr tägliches Bemühen, Ihre Leidenschaft und Sehnsucht, mit Jesus zu gehen, sehr geehrter Herr Bischof, bewundere ich und es steckt an. Wenn ich mir die Kommentare auf Ihren Social Media Seiten anschaue, dann gibt es eigentlich fast nur Menschen, die entweder klar dafür oder klar dagegen sind, es gibt beinahe nur schwarz oder weiß. Ich wünsche Ihnen, mir und allen Gläubigen, dass wir lernen, auf leise Töne zu hören und Brücken zu bauen. Gott segne Sie in Ihrem wichtigen Dienst als Bote des Glaubens und als Nachfolger der Apostel! Liebe Grüße! A.A.
Sehr geehrter Herr Bischof, Dankeschön für Ihre Antwort mit den entsprechenden Links! Die lese ich gerne. Mich beschäftigt der Umgang der Kirche mit gleichgeschlechtlichen Paaren von biblischer, mitmenschlicher und beruflicher Sicht aus sehr. Vielleicht finde ich ja eine Antwort in einem der Links. Danke nochmals!
Kommen Sie gut heim – bei all dem Schnee! Ihnen auch einen besinnlichen Advent mit ganz viel Vorfreude! Liebe Grüße! Annette Ammerl
Liebe Frau Ammerl, danke für Ihre sensible Reaktion auf das Interview. Zwei Anmerkungen dazu: Als wir Bischöfe den Brief an Kardinal Parolin geschrieben hatten, war dem ein Schreiben aus dem Staatssekretariat vorausgegangen (Juli 2022) mit der klaren Vorgabe, der Synodale Weg habe keine Autorität neue Formen von Leitung zu etablieren und auch keine neue Ausrichtung von Lehre und Moral (https://www.vaticannews.va/de/vatikan/news/2022-07/heiliger-stuhl-synodaler-weg-deutschland-lehre-moral-weltkirche.html).
Zweitens: Der Synodale Weg hatte darauf hin einen Beschluss zu einer neuen Form der Leitung gefasst, ohne sich um den Einspruch aus Rom zu sorgen. (https://www.synodalerweg.de/fileadmin/Synodalerweg/Dokumente_Reden_Beitraege/beschluesse-broschueren/SW10-Handlungstext_Synodalitaetnachhaltigstaerken_2022.pdf)
Zugleich hatte der Synodale Weg in seiner Satzung stehen, dass kein Bischof zur Umsetzung der Beschlüsse des Synodalen Weges verpflichtet sei. (Satzung Art 11,5: Beschlüsse der Synodalversammlung entfalten von sich aus keine Rechtswirkung. Die Vollmacht der Bischofskonferenz und der einzelnen Diözesanbischöfe, im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeit Rechtsnormen zu erlassen und ihr Lehramt auszuüben, bleibt durch die Beschlüsse unberührt.)
Dann hat man schlicht „verfügt“: Mitglieder des Synodalen Ausschusses sind die 27 Diözesanbischöfe. Ich bin aber in meiner oben gewährten bischöflichen „Vollmacht“ nicht einmal gefragt worden, ob ich im Ausschuss mitmache oder nicht – und das obgleich Beschlüsse des Syn. Weges von sich aus keine Rechtswirkung entfalten – und obwohl ich dem Beschluss nicht einmal zugestimmt hatte.
Daraufhin habe ich zeitgleich sehr ähnlich lautende Briefe sowohl an das Präsidium des Synodalen Weges wie an Kardinal Parolin geschrieben – mit zwei Fragen angesichts der Beschlusslage: Rom sagt: Keine neuen Leitungsgremien. Frankfurt sagt: Neue Leitungsgremien und alle Bischöfe müssen hin. Die Frage war also: Soll ich da hin, weil (fast) alle Bischöfe hingehen – auch um der Einheit der Bischofskonferenz willen. Oder: Darf ich da eigentlich gar nicht hin, weil Rom gesagt hat: Keine neuen Leitungsgremien.
Wie gesagt: Auch dem Präsidium des Synodalen Weges habe ich einen fast gleichlautenden Brief geschickt, wie den (von uns fünf) nach Rom – und bis heute keine Antwort bekommen. Daher: Ich würde also die Lage deutlich anders einschätzen als beim Brief von Erzbischof Gadecky nach Rom, in dem er über den Synodalen Weg so kritisch schreibt. Und halte einen Vergleich zwischen seinem Vorgehen des Briefschreibens an Rom einerseits und meinem und unserem Vorgehen – für nicht angemessen. Wir haben darin niemanden verurteilt oder angeklagt, sondern vor allem eine Frage gestellt.
Was die Polarisierung angeht: Da ist meine Wahrnehmung, dass gerade der Synodale Weg mit seiner politischen Dynamik die Spaltung verschärft hat – die zwischen Rom und der Kirche in Deutschland, die zwischen den Bischöfen in Deutschland und die im Volk Gottes. Und ja, das Hören auf Zwischentöne und in der Hermeneutik des Wohlwollens, das haben wir im geschützten Raum in Rom beim Weg des Papstes erlebt. Frankfurt habe ich – als Bischof in der Minderheit – im Grunde als das Gegenteil davon erlebt.
Die anderen Dinge, die Sie schreiben: Mit Prof. Bleyer bin ich im guten Austausch – bin aber zugleich der Meinung, dass seine Auslegung, die wir im Diözesanrat gehört haben, nicht ausreicht. Die Schöpfung ist als Ganze zutiefst verwundet und erlösungsbedürftig. Und der Mensch selbst – geschaffen in der Ebenbildlichkeit Gottes – ist es eben auch. Das heißt: die ganzmenschliche Erfahrung ist zunächst eine defizitäre – im Blick auf seine ursprüngliche Einheit und Ganzheit. Ich lese daher verschiedene Phänomene, die uns im Blick auf Identitätsfragen beschäftigen in diesem Spannungsfeld und interpretiere daher die biblischen Text auch von diesem hermeneutischen Angang her. Daher hat mich das Vorgetragene des Professors nur zum Teil überzeugt – und die Grundüberzeugung, dass es bei der Segnungsfrage um eine prinzipielle und nicht um eine graduelle Frage geht, nicht in Frage gestellt. Ich mag mich darin täuschen, aber halte das wenigstens für heute für richtig. Insbesondere, weil es in dieser Frage um die Sakramentalität der Kirche und des Menschen geht, ebenso wie bei der Frage nach Frauen und Ämtern und dem nach der Macht. Aber das habe ich im Communio-Text auf meinem Blog vertieft. (https://stefan-oster.de/realpraesenz-sakramentalitaet-und-der-synodale-weg-in-deutschland-ein-aufsatz-in-der-communio/)
Nochmals danke für Ihre Zeilen mit den Anfragen. Gruß von unterwegs und gesegneten Advent. SO
Sehr geehrter Herr Bischof, ich habe nun den Communio-Text gelesen. War sehr interessant und gewinnbringend. Manche Stellen sind tief beeindruckend. Danke für den Link. Ich bin keine Theologin und habe deshalb sicherlich so manches grundlegende Wissen nicht. Doch ich glaube an die reale Gegenwart Gottes, ich durfte sie in verschiedenen Ereignissen erleben und kann rückblickend bezeugen, dass Jesus mein Leben verändert hat. Mein Problem mit der Lehre der Kirche im Umgang mit gleichgeschlechtlichen Paaren löst der Text dennoch nicht. Ich habe Mehreres zu dem Thema gelesen und schulische Fortbildungen besucht. Mir wurde dabei immer bewusster, wie viel Leid, Not, Angst, Verzweiflung, Scham, Verletzung, Ungerechtigkeit und Ausgrenzung die Betroffenen ertragen mussten und müssen – und das oft ihr Leben lang. Da möchte ich nicht daran beteiligt sein, sondern vielmehr für die Menschen einstehen. Sie, sehr geehrter Herr Bischof, betonen immer wieder, dass Sie das Versprechen abgelegt haben, Rom die Treue zu halten und dass Sie sich daran gebunden fühlen. Das verstehe ich sehr gut. Ich selbst habe als Religionslehrerin versprochen, dass ich meinen Religionsunterricht in Einklang mit den Lehren der katholischen Kirche gestalten werde und auch ich fühle mich daran gebunden. Ich tue mich aber unendlich schwer, den Jugendlichen in der Mittelschule bei dieser speziellen Thematik die Lehre der Kirche zu vermitteln. Entweder lebe ich damit, dass ich etwas versprochen und mit meinem Namen unterschrieben habe und es doch nicht halten kann oder ich entscheide mich dazu, nicht mehr als Religionslehrerin zu arbeiten, was ich ebenso sehr bedauern würde, weil ich unendlich gerne Religion unterrichte. Egal wie ich mich entscheide: für mich ein Dilemma. Vielleicht können Sie verstehen, dass es für mich als „gläubigen Mensch aus dem normalen Volk Gottes“, wie Sie es bezeichnen würden, um mehr geht, als für oder gegen den Synodalen Weg zu sein. Ich liebe die Kirche und habe ihr viel zu verdanken und ich will den, der anders denkt, nicht als „theologischen Gegner“ sehen, sondern als jemanden, der ganz einfach auch auf der Suche ist und ich möchte mehr verstehen lernen, was der Heilige Geist mir durch Menschen mit verschiedenen Anschauungen sagen möchte. Dankeschön für‘s Lesen der Zeilen – besonders auch deswegen, weil ich weiß, dass Sie mehr als genug zu tun haben. Ihnen viel Segen! A.A.
Liebe Frau Ammerl, danke für Ihre guten und so redlichen Gedanken – und für Ihre Liebe zur Kirche.
Selbstverständlich kann ich Ihre Frage verstehen, und selbstverständlich beschäftigt sie mich in ähnlicher Weise wie Sie. Seit vielen Jahren.
Ich weiß nicht, ob Sie den Text zu diesem Video gelesen oder das Video gesehen haben: https://stefan-oster.de/der-synodale-weg-iv-die-absichtslose-liebe-und-unsere-sexualitaet/
Darin versuche ich meinen Blick auf das Thema insgesamt zu beschreiben – ausgehend von einer „Ontologie der absichtslosen Liebe“. Er könnte evtl. von innen her deutlich machen, wie sehr der Mensch gerade auch in diesem Akt ein symbolisches und sakramentales Wesen ist. Dass wir als Kirche in diesem Bereich immer auch pastoral, zugewandt, mit offenem Herzen und ohne Verurteilung jedem Menschen begegnen lernen müssen – steht für mich außer Frage. Ebenso wie die schmerzliche Erkenntnis, dass wir das allzu oft nicht getan haben.
Was mich aber auch tiefer hat verstehen lassen, das waren nicht nur gleichgeschlechtlich empfindende Menschen, die in treuer Partnerschaft miteinander leben, sondern zusätzlich auch jene Menschen, die mir erklärt haben, warum sie auch mit ihrer sexuellen Neigung dennoch leben wollen, wie es die Kirche aus ihrem Glauben heraus für angemessen hält. Freilich: dieses „angemessen“ trifft ja uns alle, bzw. auch das Scheitern darin, vor allem angesichts des Maßstabes, den Jesus anlegt (Wer eine Frau nur lüstern ansieht…. Mt 5,28). Ich habe jedenfalls auch diese Menschen im Rahmen von Gesprächen des Synodalen Weges kennen gelernt, wie auch schon zuvor. Manche von ihnen waren auch beteiligt an einem Buch, das kürzlich erschienen ist – und das Zeugnisse dieser Menschen enthält: Markus Hoffmann (Hrsg.), Weil ich es will. Es sind spannende Zeugnisse, die von intensiven Suchgeschichten erzählen, vom Ankommen, aber auch von Leidensgeschichten. Ich würde hoffen, dass auch von dieser Sicht her vielleicht ein Verständnis für die Lehre der Kirche wachsen könnte. Auch wenn ich selbstverständlich einräume, dass es überaus herausfordernd bleibt, gerade in diesem Bereich das Verhältnis von Wahrheit und Liebe auch im eigenen Herzen zu versöhnen.
Sehr geehrter Herr Bischof,
ganz lieben Dank! Eine gesegnete Adventszeit mit viel Freude, mit auch ein bisschen Ruhe und Gottes reichen Segen! Liebe Grüße! A.A.
Sehr geehrter Herr Bischof Oster,
haben Sie zu den genannten Themen schon einmal etwas vertiefendes veröffentlicht?
„Ich glaube, in der Tiefe geht es um grundlegende, auch metaphysische Fragen, etwa: Wie verstehen wir die Freiheit des Menschen? Und wie verhält sich Freiheit zur Wahrheit? Und was bedeutet zum Beispiel eine erlöste Freiheit? Ich selbst komme zu diesen Themen aus einer Schule des Personalismus, die auch der Lehre von Papst Johannes Paul II. nahe ist. Andere, die breite Mehrheit, hatte einen anderen Ansatz, etwa bei der Frage nach der Freiheit.“
=> Gerade auch zum Thema der „erlösten Freiheit“?
Dann würde ich mich über einige weiterführende Hinweise freuen.
Vergelt’s Gott für alle Ihre Mühen für das Reich Gottes und Gottes Segen für Ihre Arbeit!
Sehr geehrter Herr Schätzl, in meinem Buch „Person und Transsubstantiation“ gibt es ein längeres Kapitel, das den Titel trägt „Theologische Anthropologie – Zum Person-sein befreit“ (S. 324-511). Darin habe ich versucht zu formulieren, was ich über diese Dinge aus der Sicht des Glaubens denke. Herzlicher Gruß SO
Lieber Herr Bischof Oster, vergelt’s Gott für die Antwort!
Erlauben Sie mir eine praktische Rückfrage: Im Ihrem Buch „Person-Sein vor Gott“ ist das nicht abgedeckt, oder? (dieses ist nämlich antiquarisch deutlich günstiger zu erwerben)
Sehr geehrter Herr Schätzl, „Person-sein vor Gott“ ist eine Aufsatzsammlung, und natürlich finden sich darin auch einige Texte, die diese Fragen nach Freiheit und Wahrheit wenigstens indirekt mitbehandeln, etwas in einem Text über Erbsünde oder über eine Anthropologie des Ordenslebens oder über Pädagogik Don Boscos. Aber allein an dieser Aufzählung sehen Sie: Es ist nicht so stringent darin.Gruß SO
Vielen Dank – ich habe mir jetzt beide Bücher bestellt! Viel Kraft und Gottes Segen für Ihre Arbeit!
Exzellenz
Sehr geehrter Herr Bischof Oster,
ich hoffe Ihnen geht es an diesem 3 Adventssonntag sehr gut.
Bitte erlauben Sie mir Ihnen etwas zu widersprechen. Sie sprechen von einer Polarisierung, wenn Themen wie z.B. Homosexualität von machen neu betrachten werden wolle. Es kann sich für die, die nicht unterdrückt waren, wie Polarisierung anfühlen, wenn die Unterdrückenten sich plötzlich wehren können. Über Jahrhunderte wurde, auch wegen des Einflusses der katholischen (auch der evangelischen)Kirche, Homosexuelle mit einem unglaublichen Vernichtungswillen verfolgt wurden und in vielen Teilen der Welt heute noch verfolgt werden, z.B. in Uganda auch aufgestachelt von Menschen wie Bischof Sanctus Lino Wanok. Auch Leo Raymund Cardinal Burke, diesmal ein US-Amerikaner wollte Homosexuelle in einer Partnerschaft, ja nicht mal an Familienfesten, die Teilnahme zugestehen.
In Europa haben die für so lang Unterdrückten, die singuläre Chance zum Widerspruch. Sie wollen nicht, dass Ihre Familien von der Kirche „Intrinsically Disordered“ genannt wird. Würden Sie gerne von Atheisten oder Anhänger eines anderen Glaubens auf eine solche Art und Weise tituliert werden?
Die Polarisierung war schon immer da, Sie sehen Sie erst jetzt, weil in der Vergangenheit eine Seite zum Schweigen verdammt war.
Ich wünsche Ihnen einen gesegnete Adventszeit
JP